DM-Drogerie statt Fotostudio: Wie mein Passbild-Trauma ein Happy End fand
Was bedeutet ein Passfoto für dich? Ist es mehr als nur ein Bild von dir? Oder ist es nur ein Foto, das du alle paar Jahre machen musst, weil du es für deinen Führerschein oder ähnlichem brauchst?
Ich habe das mit meinem Partner diskutiert, weil wir da sehr konträre Ansichten haben. Für ihn ist es nur ein Foto, das er ab und zu machen muss. Für mich ist es mehr. Ich habe eine kleine Kiste, in der ich Passfotos von mir und meinem Kind sammle. Erst neulich habe ich die Bilder durchgesehen und darüber gelacht, wie ich in meinem alten Pionierausweis aussehe. Die verschiedenen Frisuren die ich in all den Jahren hatte und wie sich meine Gesichtszüge verändert haben.
Nun war es wieder soweit, nach vielen Jahren brauchte ich wieder ein aktuelles Passfoto von mir. Ich musste meinen schönen rosafarbenen Papierführerschein umtauschen. Darin war ein Bild von mir, als ich gerade 18 Jahre alt geworden war. Ich erinnere mich, wie viele Emotionen da drin stecken, nicht nur, weil ich damals durch die praktische Prüfung gefallen war. Ob die Führerscheinprüfungen heute noch so streng sind?
Anfang des Jahres ging ich zum örtlichen Fotostudio und bat um ein biometrisches Passbild. Der Angestellte schaute mich unsicher an und rief nach hinten:
„Hier wird ein Passbild verlangt, das habe ich noch nie gemacht!“
In diesem Moment wusste ich instinktiv, dass das nach hinten losgehen würde. Eine zweite Mitarbeiterin kam dazu und sagte:
„Dann bringe ich es dir jetzt bei!“
Ich wurde in einen dunklen Raum geführt. In aller Eile wurde die Studiobeleuchtung eingeschaltet und ich wurde aufgefordert auf dem Hocker Platz zu nehmen. Ich hatte keine Zeit, noch einmal in den Spiegel zu schauen und mir die Haare zu kämmen. Während ich saß, erklärte sie dem Mitarbeiter, dass die Kamera zwischen 11 und 18 eingestellt werden müsse. Sie erwähnte weder das Wort Blende noch die Bedeutung der Zahlen. Es gab keine weitere Einweisung in die Kamera, obwohl er in meiner Gegenwart sagte, dass er noch nie fotografiert habe. Dann musste er sich hinstellen und mich fotografieren.
Er stand wie ein breitbeiniger Fotoknipser vor mir, der keinerlei Gespür dafür hatte, was er tat. Er hat 4 oder 5 Fotos von mir gemacht, die alle misslungen sind. In diesem Moment wurde meine Geduld auf eine harte Probe gestellt und ich sagte ihm freundlich, dass man Passfotos normalerweise auf Augenhöhe macht und nicht von oben nach unten oder andersherum. In dieser Situation hätte ihm sicherlich ein Stativ geholfen.
Er machte weitere Fotos und ignorierte meinen Einwand. Auch diese misslangen, während die erfahrene Mitarbeiterin daneben stand und ihm keine Tipps gab, so dass ich ihm in meiner Verzweiflung scherzhaft anbot, er könne bei mir einen Fotokurs buchen. Obwohl ersichtlich war, das die Fotostudiolampen nicht optimal auf meine Größe eingestellt waren und auch der grelle Blitz Probleme verursacht hat.
Nachdem auch diese Bilder misslungen waren, nahm ihm die Kollegin die Kamera aus der Hand, machte mit denselben Einstellungen zwei neue Fotos und beendete missmutig das Fotoshooting. Ich durfte mir nun aus den beiden miesen Fotos das Bessere aussuchen. Im Nachhinein hätte ich an dieser Stelle sagen müssen, dass ich keines dieser beiden Fotos haben möchte, doch wie so oft, wurde ich einfach von der Situation überfahren.
Wieder musste ich mit ansehen, wie beide mit der Software und dem Passbilddrucker kämpften und die Bilder mehrfach ausdruckten. Ich konnte kaum hinsehen, wie er die Passbilder ungeübt und mühsam mit dem Stanzer ausschnitt. Anschließend bekam ich die Passbilder in die Hand gedrückt, auf denen ich wie ein rosa Schweinchen aussah. Die Hauttöne, das Licht und die Schatten in meinem Gesicht haben mich entstellt.
Als ich aus dem Fotostudio kam, hatte ich erst einmal keine Ahnung, was gerade passiert war. Als ich auf der Straße stand und beim anschauen der Passbilder die Situation rekapitulierte, wusste ich nicht, ob ich Lachen oder Weinen sollte. Am Ende überwog die Wut.
Wut darüber, dass dieser wunderbare Beruf des Fotografen durch Missachtung und Ignoranz so in den Dreck getreten wurde.
Ich stellte mir eine Kundin vor, die sich nicht gerne fotografieren lässt. Welches „Passbild-Trauma“ hätte das ausgelöst? Es begann mit der fehlenden Wertschätzung, der Kundschaft eine Wohlfühlatmosphäre zu bieten, der fehlenden Wertschätzung gegenüber einem ästhetischen Bild, der fehlenden Wertschätzung, dass zu einem guten Fotografen eine langjährige Ausbildung gehört. Auch wenn es sich scheinbar nur um ein Passbild handelt.
Wie oft in meinem Leben mache ich ein Passfoto? Nur alle paar Jahre. Viele Menschen lassen sich nicht gerne fotografieren. Haben Angst davor und fühlen sich unsicher. Das ist der Hintergrund, warum ich bei Familienfotoshootings die ersten 30 Minuten die Kamera in der Tasche lasse und mich erst einmal mit den Familienmitgliedern unterhalte, um die Situation aufzulockern.
Mir ist bewusst, dass man diese Zeit bei einem Passbild nicht hat, aber man sollte dem Kunden trotzdem ein paar Minuten geben, damit er sich – gerade wenn er im Winter von draußen kommt – einrichten und an den Raum und das Licht gewöhnen kann. Etwas Musik, ein Lächeln oder aufmunternde Worte und eine entspannte Wohlfühlatmosphäre hätten kleine Wunder wirken können.
Was mich aber wirklich geärgert hat, war die Art und Weise, wie die „Fotografin“ den neuen Mitarbeiter eingewiesen hat. Zum einen gehört es sich nicht, dass Kunden die Testpersonen sind, wenn man keine praktische Erfahrung hat. Zum anderen, dass der neue Mitarbeiter keine entsprechende Schulung in der Licht- und Kameratechnik erhalten und Gelegenheit zum Üben bekommen hat. Dazu zählt auch das Erlernen eines einfühlsamen, wertschätzenden Kundenumgangs. Auf Kleinigkeiten Rücksicht zu nehmen (Flecken auf der Brille, Haare etc.) und auf die eigene Körperhaltung zu achten. Der Mitarbeiter stand wie ein ungehobelter und gleichzeitig total verunsicherter Mensch vor mir, so dass ich mich noch unwohler fühlte.
Dass ich als Fotografin so etwas erleben muss, macht mir zu schaffen. Es wundert mich nicht, dass viele Leute denken, dass Fotos keinen Wert mehr haben. Dass scheinbar angenommen wird, dass man auch ohne Ausbildung professionell fotografieren kann und dafür eine Profi-Ausrüstung reicht. Dass einer grundsoliden Ausbildung überhaupt keinem Wert beigemessen wird.
Hätte ich solche Porträts oder Bewerbungsbilder von meinen Kunden gemacht, hätte ich mich geschämt und sie nie herausgegeben. Stattdessen hätte ich mich bei dem Kunden entschuldigt und ihn um die Möglichkeit, neue Fotos machen zu dürfen, gebeten.
Diese beiden Angestellten sind, und ich entschuldige mich für die harten Worte, wirklich eine Schande unter den Berufsfotografen.
In meiner Verzweiflung bin ich in die örtliche DM-Drogerie gegangen. Die Mitarbeiterin schien schon oft Passbilder gemacht zu haben und wirkte auf mich sehr kompetent. Sie gab mir einen Spiegel, stellte den Hocker für mich ein und gab mir mit einem Lächeln das Gefühl, dass sie das gerne macht. Mit einer einfachen, alten Nikon machte sie ein paar Probeaufnahmen, zeigte sie mir und machte dann ein ordentliches Passbild.
Ich hätte in meinen kühnsten Träumen nicht gedacht, dass ich den Fotoservice von DM-Drogerie einmal empfehlen würde. Wahrscheinlich sind die Mitarbeiterinnen dort auch keine ausgebildeten Fotografen. Sie haben auch keine professionelle, moderne Fotoausrüstung oder ein schönes Fotostudio. Ich empfehle den Service, weil sie sich trotz aller Widrigkeiten viel Mühe geben, ein gutes Foto zu machen und weil sie freundlich und wertschätzend mit ihren Kunden umgehen.
Das DM-Passfoto ist jetzt in meinem neuen Führerschein. Ich werde sicher jedes Mal, wenn ich es sehe, an diese Geschichte denken und hoffentlich eines Tages darüber lachen können.