
Das letzte Buch
Ein Plädoyer für das Gedruckte
Heute habe ich das letzte Exemplar meines handgebundenen Buches verkauft. Jetzt sind alle meine „Gefühl und Verstand“ Buch-Babys unterwegs in neue Hände. Und obwohl ich stolz bin, dass sie ihren Weg gefunden haben, bleibt in mir eine stille Wehmut zurück. Denn ich weiß: Ich werde dieses Buch in dieser Form nicht noch einmal herstellen könne
Nicht, weil ich nicht will. Sondern weil es immer schwieriger wird, all die kleinen Zahnräder in Bewegung zu setzen, die ein solches Projekt möglich machen. Papier, Druck, Bindung, Materialien – das alles war schon vor einigen Jahren eine Herausforderung, aber jetzt ist es fast ein Kunststück. Es sind Zusammenhänge, die man vielleicht erst sieht, wenn man wie ich einmal selbst in einer Buchbinderei gearbeitet hat.
Was wir erleben, ist mehr als ein Produktionsproblem. Es ist das langsame, leise Verschwinden einer Kulturtechnik – und das in einer Zeit, in der Bücher so zugänglich wirken wie nie zuvor. Ich lese selbst viele E-Books, gerade im Romanbereich finde ich sie oft praktischer. Aber es gibt Bücher, bei denen ein digitales Format nicht reicht. Kunstbücher. Fotobände. Sachbücher, die man durchblättern, anfassen, hin- und herdenken oder auch hineinschreiben möchte. Bücher, die mit ihrer Gestaltung sprechen, nicht nur mit ihrem Text.
Neulich habe ich eine Liste mit Kunstbuchverlagen durchforstet – ein Drittel davon existiert nicht mehr oder ist insolvent. Die, bei denen ich mich mit meinem aktuellen Buchprojekt beworben habe, mussten teilweise absagen. Nicht, weil das Thema nicht passt. Sondern weil sie ihr Verlagsprogramm verkleinern mussten. Und das ist kein Einzelfall. Es ist ein Trend.
Verlage sterben. Und mit ihnen verschwinden Druckereien, Buchbindereien, Fachkräfte, Netzwerke, Erfahrungen. Genau wie bei der Analogfotografie vor zwanzig Jahren: Damals war der Wechsel zur Digitalfotografie wie ein Erdrutsch. Viele Filmhersteller, Labore und Vergrößerungsgeräte verschwanden quasi über Nacht. Heute erleben wir eine Renaissance der analogen Fotografie – aber es ist ein mühsames Zurückholen dessen, was einmal da war. Es kostet viel Geld, viel Zeit und ist mit vielen Kompromissen verbunden. Weil das Wissen, die Technik und die Infrastruktur schlichtweg nicht mehr existieren.
Ich fürchte, dass es den gedruckten Büchern eines Tages ähnlich ergehen könnte wie vielen fast vergessenen Handwerken. Dass wir erst im Rückblick begreifen, was wir verloren haben: Vielfalt, Haptik, Eigenwilligkeit, handwerkliche Tiefe. Und dass es dann zu spät ist, um das Verlorene zurückzuholen. So wie ich es selbst erlebt habe, als ich das Marmorieren lernte – und mit Erstaunen entdeckte, welche raffinierten Verfahren zur Herstellung von Vorsatzpapieren es vor über 200 Jahren gab. Wissen, das heute niemand mehr jemand beherrscht. Und das, was einst selbstverständlich war, bleibt nun nur noch als Spur in alten Büchern erhalten.
Deshalb schreibe ich heute dieses Plädoyer für das Buch. Nicht als nostalgische Rückschau. Sondern als Erinnerung daran, dass Bücher mehr sind als Worte auf Papier. Sie sind Objekte voller Gedanken, Gestaltung, Geschichte. Und sie brauchen eine Infrastruktur, die wir nicht als selbstverständlich hinnehmen dürfen. Denn wenn sie verschwindet, verschwindet mit ihr auch ein Teil unserer kulturellen Freiheit.
Ich bin weiterhin auf der Suche nach einem Verlag (oder einer anderen Lösung), der mein Buch zumindest inhaltlich aufgreift – damit es nicht stirbt. Denn auch wenn das Buch schon ein paar Jahre alt ist, sind die Texte und Fotografien zeitlos und es gibt sogar neue Kapitelideen. Sie unterliegen keiner Mode, keinen Trends.
Wer eine Idee oder einen Kontakt hat, darf sich gern bei mir melden.
Zum Schluss: Ein herzliches Dankeschön an alle, die mein handgebundenes Buch gekauft und damit nicht nur das Buch selbst, sondern auch meine Idee und die Liebe zum gedruckten Wort unterstützt haben. Ohne euch hätte es diese Reise nie gegeben.
Passend zum Abschied schrieb mir Marco einen Leserbrief: „Dein Buch ist einzigartig von der Handwerkskunst, den Materialien und selbstverständlich auch in Bezug auf den Inhalt. Vielen Dank, dass ich ein Exemplar erwerben durfte – man merkt, wieviel Leidenschaft und Herzblut darin enthalten ist!“
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Peter Roskothen
Liebe Jana
Deine Bücher sind wertvoll. Es steckt für Kunst, Handwerk, Know-how und Liebe darin. Wenn du dich fragst, ob du Künstlerin bist und in einer Galerie angenommen wirst, hast du schon etwas viel wertvolleres unter die Menschen gebracht. Es ist das Buch, von dem du hier sprichst.
Ich habe es nicht umsonst als das schönste Fotobuch der Welt bezeichnet. Kompliment.
Es würde mich sehr freuen, könntest du es noch einmal auflegen. Vielleicht versteht irgendwann ein Verlag, wie wertvoll das Buch sein könnte.
Herzlichen Gruß Peter