Vom digitalen Wandel…
und was er für mich bedeutet.
Ich habe heute Morgen eine E-Mail zum Thema Digitalisierung erhalten. Unter anderen wurde darin thematisiert, das es heutzutage völlig out sei, innerhalb des Unternehmens über E-Mails zu kommunizieren, stattdessen würde man Apps wie Slack verwenden. Ebenso ging es um Begriffe wie Big Data, um den Erfolg eines Unternehmens zu messen. Beim Lesen merkte ich, wie ich mich innerlich zurückzog und am Ende den Rest nur noch überflog.
Eigentlich bin ich ein sehr interessierter Mensch gegenüber neuen Technologien. 1992 brachte mein Vater den ersten Windowsrechner 3.11 inkl. Scanner und Farbdrucker nach Hause und schenkte mir 12 Disketten mit Corel Draw. 1998 bastelte ich an meiner ersten Homepage und 2006 war ich schon Mitglied bei Facebook, wo andere noch nicht einmal den Namen der Plattform gehört hatten. Heute, wo man neben der Geburtsurkunde auch ein Facebook-Login hat und es zum Massenmedium geworden ist, bin ich schon seit 2 Jahren wieder draußen. Und es hat sich herausgestellt, dass man auch ohne FB sehr gut leben kann.
Um auf die E-Mail von heute Morgen zurück zu kommen: Nach wie vor interessiere ich mich für neue Techniken und Ideen, aber ich bin Müde geworden, alles auszuprobieren und mitzumachen. Als vor Weihnachten eine Welle durch Whatsapp und Co ging und scheinbar jeder von Instagram zu Vero gewechselt ist, habe ich mir nicht einmal mehr die App angeschaut.
Warum ist das passiert? Was ist heute anders?
Ich habe überlegt, was der Grund für mein Desinteresse ist, weil es doch so gar nicht zu mir passt. Nun, zum Einen hat es handfeste Zeitgründe. Schon alleine sich in eine neue Technologie einzuarbeiten und zu schauen, ob man sie so verwenden kann, wie man es braucht, ist ein großer Kraftakt. Je nach dem wie schwierig die Software aufgebaut und zu bedienen ist, umso länger braucht es. Diese Zeit bin ich heute nicht mehr bereit zu investieren, wenn nicht von Anfang an klar ist, dass es mir einen Nutzen bringt.
Ein Beispiel: Bis vor 3 Jahren hatte ich eine analoge Buchhaltung, die aus ganz viel Papier bestand. Ich hatte keinen Überblick über monatliche Einnahmen und Ausgaben und am Ende hatte ich den Ärger, dass ich wegen 200 Eur mehr aus der Kleinunternehmerregelung geflogen bin. Das hat viel Ärger und finanziellen Verlust für mich bedeutet. Damals recherchierte ich, wie ich zukünftig meine Buchhaltung besser händeln könnte und fand die Lösung Debitoor. Ich arbeitete mich mühevoll ein. In vielen Punkten war ich scheinbar der Kunde, der Debitoor als grüne Banane gekauft hatte und erst bei mir reifte, indem ich ständig mit technischen Problemen mit dem Support in Kontakt stand. Dieser wiederum war nicht besonders gut, aber ich biss mich durch. Heute habe ich eine rein digitale Buchhaltung, habe einen Überblick über meine Ein- und Ausgaben und kann meine vierteljährliche Umsatzsteuervoranmeldung direkt über die Software an das Finanzamt senden.
Damals dachte ich, wenn nun mein Steuerberater nicht mehr meine gesammelten Belege abtippen muss und er eine gut gepflegte Buchhaltung in sein Steuerprogramm automatisch importieren kann, dass ich dadurch auch finanzielle Einsparungen habe. Doch am Ende kam nicht einmal das bei rum, im Gegenteil. Man versuchte zusätzlich seitens des Steuerberaters mir die Einarbeitungszeit der Steuerberaterin in Debitoor zu berechnen, denn wie ich erfuhr, hatte noch niemand damit gearbeitet und ich war die erste Klientin. Ich war frustriert.
Das Einarbeiten in Debitoor meinerseits inkl. der vielen technischen Problemen hat mich Monate gekostet. Debitoor kostet monatlich eine Menge Geld und statt Geld- und Zeit einzusparen, hat mich die Umstellung von analog auf digital mehr gekostet, als das es Vorteile gebracht hat. Natürlich mache ich es weiter, jetzt hat sich ein Workflow eingestellt, aber ich wäre nicht bereit, die Umstellung noch einmal auf eine andere Software auf mich zu nehmen. Mittlerweile bin ich schon angepisst, wenn sich mein Workflow durch angebliche Neuerungen in der Software verändert und ich mich wieder anpassen muss – ohne dass es wirklich einen Vorteil bringt. Die Zeiträume, in denen sich Technologien verändern, werden mir zu schnell.
Das war der eine Grund. Der andere ist ein ganz anderer: nämlich meine Mitmenschen. Wenn wirklich etwas gut ist, dauert es trotzdem sehr lange, bis es von anderen angenommen und selbstverständlich bedient werden kann. Bis heute können viele Menschen keinen PC in seinen Grundlagen bedienen. Oft scherze ich, das ich statt einer Bildbearbeitungsschulung doch eher einen Grundlagen-PC-Kurs geben sollte. Denn ohne dieses Wissen sind auch weiterführende Anwendungen schwierig. Wenn man bedenkt, wie lange es PCs schon gibt, ist es traurig zu sehen, wie die Realität aussieht.
Aber es gibt noch weitere Nachteile seinen Mitmenschen voraus zu sein. Oft kommen Modeerscheinungen in die Provinz, die schon lange keine mehr sind. So hat zum Beispiel das Fotostudio in meiner Region neuerdings angefangen, Babys und Portraits in einer Stilrichtung zu fotografieren, die ich in der Art und Weise vor 10 Jahren gut fand. Jetzt erst ist es bei uns angekommen. Ich persönlich würde es nicht mehr anbieten wollen, weil ich es als altmodisch und langweilig empfinde.
Dafür habe ich zu kämpfen, meine Art der Fotografie, in der man Zeit mitbringen muss und zusammen in die Natur geht, in der Region bekannt zu machen. Immer wieder bekomme ich Anrufe, ob ich nicht mal schnell im Fotostudio ein paar Familienbilder machen könnte. Und wenn ich dann erkläre, dass ich kein Fotostudio habe und wir zusammen in die Natur gehen und dort die Bilder in entspannter Atmosphäre entstehen, wird das nicht gewollt. Dabei finde ich das so schade. Ich möchte den Menschen vor meiner Kamera ein wenig kennen lernen, Gespräche führen. Authentische Bilder entstehen nur, wenn ich ein Gefühl für die Porträtierten bekomme. Wenn Sie sich auch auf mich einlassen, entspannt sind und aus ihrer alltäglichen Umgebung heraus kommen.
Mein Mentor Klaus Präkelt, der leider vor ein paar Jahren gestorben ist, ist vor jedem Portrait mehrfach zu den Leuten gefahren, nur um sich mit ihnen zu unterhalten. Erst beim dritten oder vierten Termin hat er seine Kamera mitgenommen und die Fotos gemacht. Er hat viel Zeit in seine Porträtserien gesteckt. Ich würde ebenso gerne zumindest ein persönliches Vorgespräch vereinbaren, doch das war bisher nicht realisierbar, da viele meiner Kunden aus der Region kommen und nicht vor Ort sind. So ist es jedes Mal ein Blind Date für mich, wenn ich zum Fotoshootingort anreise.
Auch wenn meine Art der Fotografie nicht wirklich neu ist – es wird ja vor allem in den westlichen Großstädten schon seit Jahren praktiziert – ist es in meiner Region immer noch unbekannt und erklärungswürdig. Beruflich und monetär wäre es besser für mich, dass althergebrachte zu praktizieren. Doch das würde sich nicht richtig für mich anfühlen.
Und dann muss ich wieder innerlich lachen, wenn ich dann E-Mails zu den Themen des digitalen Wandels zu bekommen. Vieles davon haben meine Mitmenschen in meiner Umgebung noch nie gehört, geschweige denn ausprobiert und jetzt wird schon vom Wandel gesprochen. Von einer Elite, die in ihren Blasen schweben, in futuristischen Coworking Spaces arbeiten, während vor Ort das Wort „Homeoffice, Skype und Teamviewer“ immer noch bei Unternehmen Schweißausbrüche fördert und abgelehnt wird. Vieles passt für mich nicht mehr zusammen, die Welten in der wir uns bewegen, driften immer weiter auseinander.
Ich müsste mich dringend in neue Bildbearbeitungsprogramme einarbeiten, weil ich jetzt schon merke, dass viele User von Lightroom aufgrund des Abomodells abwandern und sich andere Programme suchen. Gerade in den letzten Monaten wurde ich gefragt, ob ich nicht diese oder jene Bildbearbeitungssoftware unterrichten könnte. Doch bisher konnte ich es nicht realisieren, weil mir schlicht die Zeit fehlt, mich woanders einzuarbeiten. In Lightroom arbeite ich seit 8 Jahren. Wie soll ich diese Erfahrung in kürzester Zeit woanders einbringen? Und welche von diesen Programmen sind zukunftsweisend und keine Eintagsfliegen? Um eine Software gut zu kennen, muss man täglich darin arbeiten. Bei einer Schulung geht es ja nicht darum, nur die Funktionen zu erklären, sondern die Hintergründe und Probleme aufzuweisen und zu erklären, warum was nicht funktioniert und worauf man achten sollte. Viele Probleme in Lightroom kenne ich, weil sie in Schulungen auf anderen Rechnern und Betriebssystemen aufgetreten sind.
Im Moment wandelt sich vieles. Jetzt zu schauen, wohin es gehen könnte, ist sehr schwierig. Was macht man mit, was ist zeitvergeudend? Fragen die ich mir täglich stelle und auf die es keine einfachen Antworten gibt.
Wie geht’s du mit diesen Fragen um? Hast du eine Lösung?
Zuletzt kommentiert
Andreas Wagner
Liebe Jana,
wie immer sind deine Betrachtungen nah am Puls der Zeit. Ich bin meistens nur stiller Leser deiner Mails und des Blogs…und bin jedes Mal erstaunt wie ich nickend vor deinen Beiträgen sitze. Ich wohne in Mönchengladbach nahe der holländischen Grenze, werde dieses Jahr merkwürdige 50, fotografiere ganz privat ein bisschen so rum und werde hoffentlich irgendwann die Zeit und die Muße haben einen Kurs bei dir zu belegen. Ich verfolge deinen Weg schon lange…habe alle deine E-Books seinerzeit noch bei Delighted gekauft.
Ja. Alles driftet auseinander und die Geschwindigkeit steigt exponentiell…im Allgemeinen (Politik, Weltlage) und Besonderen (Bildbearbeitung, Fotografie). Man wird selbst davon erfasst (ist meine Kamera noch gut genug, ich bin anscheinend der Letzte bei Technologie XY, was hab ich da wieder verpasst usw usf.). Man wird ruhelos und hat Mühe die Beine auf dem Boden zu behalten. Photoshop/Ligthroom Abomodell: Skandal! Da gibts doch One und Affinity und Skylum und weißderkuckuck! Ich hab die Programme alle. Und benutze am Ende des Tages für meinen Kram die Bridge und Camera Raw. Und bezahle die blöden 11€ im Monat. Als Privatmann. Und wer als Berufsfotograf diese 11€ nicht hat…keine Ahnung. Die anderen Modelle erfordern viel Einarbeitung, kosten in der Pro-Variante auch viel Geld, dazu dann jährliche oder 2-jährige Updates (teuer)….alles in allem ein Nullsummenspiel bei dem dem man nix spart, einen Haufen Zeit zum Einarbeiten verbraucht und am Ende sehen die Bilder auch nicht anders aus. Alles Käse irgendwie.
Der Kopf ist voll mit Umwälzung, 2.0, 3.0, heißer Scheiß hier, der neueste Kram da. Meine Kamera hat keinen elektronischen Sucher, waaaah, ich kann eigentlich gar nicht fotografieren ohne – du kennst das sicher alles. Dieses (künstliche) Tempo macht einen verrückt und vieles ist so unfassbar irrelevant. Kein Schwein interessiert sich für den Pinsel mit dem Rembrandt gemalt hat, aber Fotoapparate machen die Bilder ja quasi von alleine…und je teurer die Kamera um so besser werden die Bilder…man müsste über alles lachen bis der Arzt kommt (und steckt doch auch in dem ganzen Mühlrad mit drin).
Und man ist ja aufgeschlossen, liest viel, informiert sich über Neues. Ist seinem Umfeld oft um Jahre (wenn nicht mehr) voraus. Aber bringt es einen wirklich weiter? Sehr ambivalent alles…ich freue mich darauf mich irgendwann richtig mit dir zu unterhalten…man kommt ja von Höckchen auf Stöckchen ;)
Liebe Grüße
Andreas
PS: Du machst ganz wunderbare Bilder.
Jana Mänz
Andreas WagnerLieber Andreas,
herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. In vielem was du schreibst habe ich mich wunderbar wiedergefunden. Es gibt so vieles worüber ich mich gerne austauschen würde. Es gibt immer weniger Menschen, die über ihren eigenen Tellerrand schauen und sich die Zeit nehmen. Danke das du mich schon so lange Zeit begleistest und ich würde mich sehr über ein persönliches Treffen freuen.
VG Jana