Aus meinem Leben als Künstlerin: Die On-Off Beziehung mit meiner Muse
Wenn ich meine Muse beschreiben müsste, würde ich sagen: sie ist zickig, launig, überschwänglich, kreativ und öfter mal wochenlang nicht ansprechbar. Mal ist sie himmelhochjauchzend, mal zu tiefst betrübt. In der Psychologie würde man sagen, meine Muse hat eine bipolare Störung, das heißt mit abwechselnden manisch-depressiven Phasen. Das klingt gruselig und ehrlich, das fühlt sich auch nicht gut an, wenn die Muse mich mal wieder verlässt und mich kreativ- und energielos zurücklässt.
Das sind die Phasen in den ich nicht schreiben oder fotografieren kann. Sie kommen und gehen und ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin. Fasst alle Autoren leiden unter Schreibblockaden und Fotografen fallen in ein Loch, in der wochenlang kein einziges kreatives Bild entsteht und die Kamera in der Tasche verstaubt.
Meine letzte große Schreibblockade hatte ich 2019. Was war passiert?
Ich muss dazu ein wenig ausholen. Im Jahr 2013 wurde ich vom Franzis Verlag gefragt, ob ich nicht ein Naturfotografie Sachbuch veröffentlichen möchte. Ich sagte spontan zu und schrieb innerhalb weniger Wochen das komplette Manuskript. Aus heutiger Sicht ein Marathon, der alle Reserven forderte. Es war mein erstes Buch, das ich komplett alleine schrieb und dementsprechend war ich sehr verunsichert (etwas was bei jedem neuen Buch immer noch da ist), ob es gut genug ist, fachlich korrekt usw. Entgegen aller Vorahnungen bekam ich über viele Jahre hinweg wunderbare Leserbriefe. Und je mehr Zeit ins Land strich, umso häufiger kamen die Anfragen, wann es einen zweiten Teil geben würde. 2018 war es soweit. Ich hatte meinen Titel „Gefühl und Verstand – Naturfotografie“ gefunden und das herunter schreiben meiner Ideen in ein Manuskript sollte ein Klacks sein.
Bis zu diesem Moment hatte ich unter Zeitdruck acht Sachbücher veröffentlicht und ich wusste als ehemalige Verlagsredakteurin, was ich in welcher Zeit schaffen muss. Ich kündigte Anfang 2018 das Sachbuch für Ende 2019 an. Zwei Jahre schien mir unendlich lang, aber ich wollte mir dieses Mal richtig viel Zeit nehmen. Zumal ich wusste, dass ich inhaltlich neue Wege gehen wollte und das Buch keine Fotoschule werden sollte.
Ja, das mit dem „runterschreiben sei ein Klacks“, stellte sich im Nachhinein als Trugschluss heraus. Viele Kapitel die ich für das Buch schrieb, wanderten später wieder in die Ablage, nachdem ich sie nicht für gut genug empfand. Dann kamen vermehrt die Zweifel darüber, warum die Welt noch ein Naturbuch brauchen sollte. Es gibt ja schon genug und überhaupt. Andere Fotografen hätten viel mehr zu sagen und deren Fotografien sind ja auch viel besser.. und und.
Diese ständigen Unsicherheiten führten zu der Schreibblockade. Parallel dazu stieß meine Idee zur kunststofffreien Herstellung des Buches weder bei Druckereien und Buchbindereien auf viel Resonanz, noch bei Menschen, die sich in unseren Medien für Nachhaltigkeit einsetzen. So führte eins zum anderen: Ablehnung, Kritik, Missachtung usw. verschlimmerten die Situation. Anfang 2019 cancelte ich den Erscheinungstermin und verschob ihn um ein weiteres Jahr.
Damals ahnte ich nicht, das Corona kommen sollte und alles anders wurde. Dass das Buch doch kunststofffrei genau vor einem Jahr im Dezember 2021 erschienen ist, habe ich wohl jemanden „da oben“ zu verdanken, der nicht wollte, dass ich das Projekt aufgebe. Viele Kapitel im Buch schrieb ich im Sommer 2020 noch einmal neu und bis zum Erscheinen Ende 2021 habe ich viel überarbeitet. Alles war ständig im Fluss, es kamen neue Ideen, kreative Impulse die ich unbedingt noch umsetzten wollte.
Die Frage ist, wie geht man am besten damit um oder was kann man machen, wenn man eine Schreib- oder Fotografie-Blockade hat?
Das klingt vielleicht komisch. Aber am Besten man macht gar nichts. Mir hat es – auch wenn sich das in dem Moment nicht gut anfühlte, weil man ja nicht arbeitet – gutgetan, mich abzulenken, raus in die Natur zu gehen. Zu lesen oder Filme anzuschauen. Im Garten zu buddeln oder woanders hinzufahren. Oder an etwas ganz anderem arbeiten. So entstand nämlich mein Buch „Naturfotografie mit dem Smartphone“. Das war so nicht geplant. Die Themen fielen mir viel leichter und ich hatte wieder Freude am schreiben und bin stunden- und tagelang mit dem Smartphone in die Natur gegangen.
Was mir gar nicht geholfen hat, war, sich stundenlang vor den Rechner zu setzten und zu sagen: „Aber heute musst du“. Und dann sinnlos vor einem weißen Blatt Papier mit blinkendem Cursor zu sitzen, um dann später doch sinnbefreit im Netz zu surfen. Sobald man sich so sehr unter Druck setzt wird alles noch schlimmer. Da hilft nicht mal der Druck von einem Abgabetermin.
Ich denke nicht, dass man Schreibblockaden verhindern kann. Vielfach sind es auch Umstände die von außen kommen und die kreativen Phasen des Schreibens und Fotografierens negativ beeinflussen. Natürlich kann man die verdrängen und einfach weiter machen. Eine Zeitlang funktioniert das vielleicht. Aber die Qualität wird immer darunter leiden. Wenn mich die Muse zum fotografieren verlässt, dann kann ich fotografieren so viel wie ich will: die Bilder kann ich fast alle wegwerfen. So verhält es sich auch mit meinen Texten.
Wie ich schon schrieb, am besten man lässt die Phase an sich vorbeiziehen. Mann übt auf sich selber keinen Druck und Stress aus und nimmt den Moment so an wie er ist. Es geht wieder vorbei. Mein Beispiel mit meinem Buch zeigt, dass am Ende doch alles gut gegangen ist. Natürlich war das keine schöne Zeit und rückblickend hätte ich mir doch öfter mal gewünscht, dass das Buchprojekt einfacher und mit viel mehr Freude an der Sache umzusetzen gewesen wäre und ich weniger alles alleine mit mir auskämpfen musste.
Aber ich habe dabei viel gelernt und es hat mich dazu gebracht, dass ich seit zwei Jahren die Buchbinderei lerne. Daher bin ich der schlimmen Schreibblockaden-Phase sogar ein bisschen dankbar, dass sie mir die Zeit geschenkt hat, alles zu überdenken und mir Menschen geschickt hat, die mich auf dem neuen, sehr holprigen Weg unterstützt haben. Die Medaille hat immer zwei Seiten. Aus einer Blockade kann etwas völlig Neues entstehen. Vielleicht ist es das, was sie uns sagt. Das wir innerlich erahnen, dass es nicht so richtig ist. Auch wenn es schwerfällt, sollten wir die Chance nutzen, zu überlegen, was die Blockade uns sagen möchte. Spätestens dann wird dich deine Muse überschwänglich wieder küssen…
Ich würde mich freuen, wenn du mir einen Kommentar zu deiner Schreib/Fotografie-Blockade schreiben würdest. Wie ist es dir ergangen und wie hast du sie überwunden?
Das ist ein Beitrag zur Blogparade #SchreibblockADE2022 – Deine besten Tipps gegen eine Schreibblockade von Daniela.
Zuletzt kommentiert
Daniela Pokorny
Liebe Jana,
vielen Dank für deinen Beitrag zu meiner Blogparade #SCHREIBBLOCKADE2022! 😊 Die Bilder in deinem Blogartikel sind atemberaubend schön und sie tragen für mich sehr viel Freiheit in sich.
Ich finde deine Verbindung von Schreib- und Fotografieblockade sehr spannend, außerdem danke ich dir für die eindrückliche Schilderung deiner persönlichen Schreibblockade, da sie so gut nachvollziehbar macht, dass verschiedene Faktoren eine Rolle dabei spielen, aber das nicht der Schlusspunkt für ein (Herzens-)Projekt sein muss. 💖
Liebe Grüße und gutes Schreiben! ✒️
Daniela