Der Sinn und Unsinn von Insektenhotels
Ich liebe den Winter und ich liebe es, durch die verschneite Landschaft zu wandern. Wie so oft bin ich auch heute an unserem örtlichen Insektenhotel vorbeigekommen, das schön verschneit am Wegesrand steht. Aber wenn man genau hinschaut, sieht man, dass hier wohl niemand überwintert und im Frühjahr auch keine Wildbienen aus den Larven schlüpfen werden.
Inzwischen habe ich ein gutes Auge dafür. Denn als ich mitten in der Corona-Pandemie meinen Garten insektenfreundlich umgestaltete, wurde das Insektenhotel zu meinem persönlichen Thema. Schnell stellte ich fest, dass die meisten Insektenhotels zwar schön aussehen, aber für unsere heimischen Wildbienen und Wildwespen keinen Nutzen haben. Im Gegenteil, diese Insektenhotels bieten Unterschlupf für Insekten, die wir normalerweise nicht haben wollen.
Leider werden viele dieser fertigen und nutzlosen Hotels immer noch von großen Baumarktketten und sogar vom Nabu vertrieben. In der Zeitschrift „Landlust“ wurden sogar falsche Materialien für den Selbstbau eines Wildbienenhotels empfohlen. Ich frage mich immer wieder, warum in der Bevölkerung noch so viel Unwissenheit zu diesem Thema herrscht. Deshalb ist es mir ein dringendes Bedürfnis, auf diese Irrtümer hinzuweisen.
Doch vorab stellt sich die Frage:
Insektenhotel oder Wildbienenhotel – was ist besser?
Ich habe mich oft gefragt, für wen bauen wir eigentlich die Insektenhotels? Schon alleine der Name „Insektenhotel“ ist eigentlich irreführend. Denn wenn ich sehe, was in den sogenannten Hotels gerne verbaut wird, sind diese für alle Insekten offen. Doch wie das so ist, nicht alle Nachbarn verstehen sich. Daher möchte ich hier lieber den Begriff Wildbienenhotel verwenden (damit sind Wildwespen mit impliziert), denn ich möchte bestimmte Insekten, die Freßfeinde der Wildbienen sind, nicht einziehen lassen.
Inhaltsverzeichnis
- Insektenhotel oder Wildbienenhotel – was ist besser?
- Was kann man alles falsch machen? Welche Materialien sollten nicht verbaut werden?
- Stroh und Holzwolle
- Tannenzapfen/Kiefernzapfen, sonstige Zapfen
- Leere Schneckenhäuser
- Lochziegel
- Was sollte man beim Holz und den Bohrlöchern beachten?
- Bohrlöcher ins Hirnholz
- Bohrlöcher in weichem Nadelholz
- Unsaubere Bohrlöcher
- Löcher zu klein oder zu groß
- Zu kurze Bohrlöcher
- Standortfragen
- Der falsche Standort
- Zu wenig einheimische Gewächse in der Nähe
- Keine Insektizide
- Das Wildbienenhotel im Winter ins Haus bringen
- Schutz gegen Freßfeinde
- Platz für Bodenbrüter
- Platz für Mauerwildbienen
- Nisthilfen aus Glasröhrchen
- Insektenhotel reinigen und pflegen und tote Stängel entfernen
- Fazit: Wildbienenhotels sind an sich unsinnig
Was kann man alles falsch machen? Welche Materialien sollten nicht verbaut werden?
Stroh und Holzwolle
Stroh und Holzwolle sorgen zwar für Schutz und für Wärme. Es sollte als Füllung für das Insektenhotel dann eingesetzt werden, wenn du Florfliegen ober auch Ohrwürmer als Gäste haben möchtest. *Ironie aus!* Wildbienen und Wildwespen „stehen“ nicht so auf diese Materialen. Wer gerne Ohrwürmer und Marienkäfer gerne in seinem Garten haben möchte, kann Tontöpfe mit Holzwolle oder Stroh füllen und umgekehrt in Bäume hängen. Aber am/im Wildbienenhotel haben sie nichts zu suchen.
Tannenzapfen/Kiefernzapfen, sonstige Zapfen
Auch Zapfen gehören nicht in ein Wildbienenhotel. Wildbienen meiden diese. An anderer Stelle im Garten sind Zapfen aber durchaus erwünscht. Kleinen Spinnen und Käfern bieten sie auf dem Boden einen willkommenen Unterschlupf.
Leere Schneckenhäuser
Die sehen zwar ganz nett aus, sind aber keine Nisthilfe für Wildbienen. Es gibt zwar Wildbienen, welche in leeren Schneckenhäusern brüten, dafür müssen diese aber auf dem Boden liegen. Idealerwiese an einer sonnigen Stelle mit lockerem Boden.
Lochziegel
Ja, Wildbienen bauen keine Häuser aus Stein und Beton. Aber das verstehen Menschen nicht. Wie oft habe ich schon unnütze Lochziegel mit viel zu großen Löchern in Wildbienenhotels gesehen. Nur das da keiner einzieht.
Was sollte man beim Holz und den Bohrlöchern beachten?
Bohrlöcher ins Hirnholz
Wie oft möchte ich Zettel an die Insektenhotels hängen: Niemals Löcher ins Hirnholz bohren, sondern immer ins Längsholz. Warum kapiert das keiner? Klar sieht das schön aus, wenn man die Jahresringe im Hirnholz sieht. Aber spätestens, wenn die Löcher innen gerissen sind, ist alles zu spät. Im obigen Bild sieht man sehr deutlich, das nach vielen Jahren immer noch keine Wildbiene eingezogen ist, um dort ihre Larven abzulegen.
Bohrlöcher in weichem Nadelholz
Ein häufiger Fehler ist die Verwendung von Nadelhölzern für Wildbienenhotels. Es ist besser, harte Hölzer wie Buche, Esche oder Eiche zu verwenden. Auch sollten keine frischen Hölzer verwendet werden, da diese beim Bohren reißen können. Zudem quillt Nadelholz auf, wenn es nass wird, und die Feuchtigkeit zieht bis ins Innere, was dazu führt, dass die gesamte Brut verfault. Bohrungen sollten nur in trockenem und abgelagertem Hartholz durchgeführt werden.
Unsaubere Bohrlöcher
Damit Wildbienen eine angenehme Nistumgebung vorfinden, sollten Bohrlöcher und Kanten an Bambus, Schilf und ähnlichem stets sauber sein. Es ist wichtig, dass keine Grate oder Splitter überstehen, da Wildbienen mit dem Kopf voran in ihre Nisthöhle klettern und sich rückwärts herausbewegen, um den Pollen abzustreifen. Wenn Splitter überstehen oder die Kanten nicht sauber sind, können die zarten Flügel der Wildbienen verletzt werden. Verletzte Bienen und ihre Brut sind zum Tode verurteilt, da sie dann nicht mehr fliegen können.
Löcher zu klein oder zu groß
Ja, es gibt Wildbienen in sehr unterschiedlichen Größen. Die Größen reichen von sehr klein (2mm Durchmesser) bis hin zurecht stattlichen (8-9mm Durchmesser). Wir sollten uns jedoch auf diesen Rahmen beschränken, da dies für unsere gewünschten Wildbienen am besten geeignet ist. Bohrlöcher oder Schilfhalme mit einem Durchmesser von 1mm sind vielleicht für Flöhe geeignet, aber nicht für unsere Wildbienen. Und Daumendicke Unterkünfte sind definitiv zu groß für die größten unserer gewünschten Wildbienen.
Zu kurze Bohrlöcher
Die Löcher sollten mindestens 10cm lang sein. Warum? Im hinteren Teil werden die männlichen Larven abgelegt. Sind die Löcher zu kurz, also nur 3-4cm lang, haben die weiblichen Larven keinen Platz. Und was sollen die Männchen ohne die Weibchen? Noch können Wildbienen ihr Geschlecht nicht nach Gusto ändern.
Standortfragen
Der falsche Standort
Bevor ich hier schreibe, wo das Wildbienenhotel auf gar keinen Fall aufgestellt werden soll, hier gleich die richtigen Hinweise: Das Wildbienenhotel sollte nach Süden ausgerichtet sein, damit es sonnig und warm ist. Wichtig ist, dass es vor Wind und Wetter geschützt ist und eine freie Einflugschneide für Insekten hat. Der Abstand zum Boden sollte ausreichend sein (mindestens 80cm) und es sollte von Nahrungsquellen wie Pflanzen, Bäumen und Sträuchern umgeben sein. In der Nähe einer stehenden Wasserstelle gibt es idealerweise Sand und Lehm.
Zu wenig einheimische Gewächse in der Nähe
Ich habe ein Bild vor Augen. Das habe ich mal im Instagram Kanal „Gärten des Grauens“ gesehen. Dort stand ein Insektenhotel in einem Schottergarten, umgeben von nichts außer Steinen. Manchmal frage ich mich, was diese Menschen sich denken. Wahrscheinlich nichts. Es ist klar, das Wildbienen Nahrung brauchen. Darum habe ich in meinen Innenhofgarten ausschließlich Bienenfreundliche Pflanzen bepflanzt. Daher gibt es in meinem Garten keinen kurz geschorenen Rasen, immergrüne Sträucher oder hübsche Zierpflanzen, sondern nur heimische, ungefüllte Blüten, eine Variation an Pollen- und Nektarspendern sowie zeitlich unterschiedlich blühende Pflanzen.
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Keine Insektizide
Versteht sich eigentlich von selbst oder? Aber nein, man muss die Menschen immer wieder darauf hinweisen. Ich habe schon Menschen rund um ihr Insektenhotel mit der Giftspritze gesehen, nachdem vorab noch gründlich gemäht wurde. Es gibt nichts, was es nicht gibt.
Wenn das Wildbienenhotel in der freien Natur aufgestellt wird, sollte auch darauf geachtet werden, dass es nicht in der Nähe von Ackerflächen steht, von denen bekannt ist, dass sie mehrmals im Jahr gespritzt werden. Ich sehe oft Beuten von Berufsimkern, die mitten im Rapsfeld stehen. Wenn der blüht, sieht das zwar schön aus, aber den Honig möchte ich nicht essen, so oft wird das Rapsfeld gedüngt und gespritzt. Warum hören wir jedes Jahr die Klagen der Imker über das massenhafte Bienensterben? Und das betrifft nicht nur die Zuchtbienen, denn von Wildbienen und Wildwespen spricht niemand.
Das Wildbienenhotel im Winter ins Haus bringen
Ja, auf die Idee kann man kommen, ist aber nicht richtig. Wildbienenlarven vertragen strenge Fröste. Stellst du stattdessen das Hotel ins Warme, fangen die Wildbienen an zu schlüpfen. Und dann? Wo finden Sie im Winter Nahrung? Sie sind zum Hungertod verurteilt. Daher niemals im Winter ins Warme stellen!
Schutz gegen Freßfeinde
Wildbienen haben natürliche Feinde. Vögel sind die Hauptfeinde und können sogar die Nistverschlüsse aufbrechen und die Larven herauspicken. Auch Tiere, die normalerweise am Boden leben, wie Katzen und Hunde, sowie der Mensch können den Wildbienen schaden, vor allem wenn das Wildbienenhotel zu nah am Boden aufgestellt ist. Stelle das Insektenhotel mindestens 80 cm über dem Boden auf, um die Gefahr eines bodennahen Angriffs zu minimieren. Um Fressfeinde wie Vögel abzuwehren, empfiehlt es sich, ein entsprechendes Drahtgeflecht anzubringen. Montiere das Drahtgeflecht am besten in einem Abstand von etwa 5 cm zu den Eingängen der Niströhrchen. Die Insekten können problemlos durchfliegen, während Vögel aufgrund ihrer Schnäbel nicht so weit nach vorne gelangen können.
Platz für Bodenbrüter
Etwa zwei Drittel aller einheimischen Wildbienen brüten im Boden. Um diesen Wildbienen ein Nistplatz zu bieten, kann eine ca. einen Meter tiefe Grube mit Drainage an einem möglichst sonnigen Standort angelegt werden. Die Grube sollte mit einer Schicht Sand aufgefüllt werden. Die Sandoberfläche sollte etwas höher liegen als die Umgebung, damit die Grube bei Starkregen nicht unter Wasser steht. Wer viele Katzen in der Umgebung hat, muss bedenken, dass diese Sandgrube gerne als Toilette benutzt wird. Um Nistplätze für Wildbienen, Schlupfwespen und andere Nützlinge zu schaffen, empfehlen sich Sand- statt Kieswege und -terrassen. Für Wildbienen, die in Lößlehm brüten, kann eine Lehmwand angelegt werden, die regensicher sein muss. Damit die Tiere gut graben können, darf der Lehm nicht zu fest sein.
Platz für Mauerwildbienen
Es gibt Wildbienenarten, die gerne in den Zwischenräumen alter Mauern ihre Nester haben. Umso wertvoller sind alte Natursteinmauern. In den kleinen Hohlräumen bauen die Wildbienen ihre Nester, in den großen Zwischenräumen leben Blindschleichen, Eidechsen oder Kröten. Also wer den Platz im Garten hat, sollte unbedingt eine unregelmäßige Natursteinmauer anlegen, die aber auf keinen Fall mit Mörtel, Beton etc. verfugt sein darf. Ansonsten zieht niemand ein!
Nisthilfen aus Glasröhrchen
Es ist wirklich spannend, einen Blick in das Innere eines Nistkastens zu werfen. Allerdings besteht bei Glas die Gefahr, dass die Brut schimmelt. Glas ist leider nicht atmungsaktiv. Es findet kein Austausch von Sauerstoff statt. Wenn du jedoch deine Wildbienen beim Brüten beobachten möchtest, gibt es spezielle Wildbienen-Beobachtungskästen. Diese lassen sich einfach aufklappen, und man kann einen Blick in die Brutkammern werfen. Mein Beobachtungskasten stammt von aktionsgrün
Insektenhotel reinigen und pflegen und tote Stängel entfernen
Ja, typisch deutsch. Alles muss geputzt und sauber gehalten werden. Ich kenne Gärten, die im Herbst auf Hochglanz gebracht werden. Aber alles reden ist sinnlos. Da wird Laub und totes Gehölz verbannt, indem die Insekten überwintern. Da brauchen wir uns nicht wundern, dass es so gut wie keine Schmetterlinge mehr gibt. So ist es auch in Wildbienenhotels. Die Larven überwintern dort. Wenn wir sie im Herbst/Winter reinigen, dann töten wir die Brut und im Frühjahr wird keine Larve schlüpfen. In meinem Wildbienenschaukasten habe ich noch nie geputzt, das machen die Wildbienen selber. Solltest du alte Stängel z.B. aus Bambus oder Brombeeren haben, dann entferne sie auf keinen Fall im Winter.
Fazit: Wildbienenhotels sind an sich unsinnig
Ich habe viel darübergeschrieben, welche Fehler man bei einem Wildbienenhotel machen kann. Wenn man also eines unbedingt aufstellen möchte oder mit Kindern aus pädagogischen Gründen bauen will, dann sollte man darauf achten, diese Fehler zu vermeiden.
Aber eigentlich ist das alles unsinnig.
Warum? Ich habe mich in meinem kleinen Stadtgarten gegen ein Wildbienenhotel entschieden. Stattdessen habe ich all meine Kraft in die Umgestaltung in einen insektenfreundlichen Garten gesteckt. Neben den wichtigen bienenfreundlichen Pflanzen habe ich kleine Steinhaufen, verrottende Holzstämme, Wasserquellen und mehr. Nach drei Jahren, die aufgrund der Trockenheit nicht einfach waren, sehe ich langsam den Erfolg. Es freut mich sehr zu sehen, dass mein Wildbienenschaukasten mit den unterschiedlichsten Wildbienenarten gut gefüllt ist. Ich bin begeistert zu wissen, dass es sie in meinem Stadtgarten gibt. Ich habe Schmetterlinge, Glühwürmchen, Marienkäfer, Wildhummeln- und Wespen gesehen. Selbst die Taubenschwänzchen haben sich schon in meinem Garten blicken lassen. Im Boden gibt es jede Menge Regenwürmer. Vielleicht kommen irgendwann auch die Wildvögel in meinen Garten zurück, denn außer Meisen und Spatzen gibt es keine Wildvögel an meinem Futterhäuschen.
Wenn wir unsere Umgebung und Gärten natürlicher gestalten würden, könnten wir auf Nisthilfen für Insekten verzichten. Obwohl Wildbienenhotels uns ein gutes Gefühl geben und unser Gewissen beruhigen, sollten wir uns vielmehr Gedanken darüber machen, wie wir unsere Umwelt für alle Pflanzen und Lebewesen, insbesondere in den Städten, lebensfreundlicher gestalten können. Die Natur weiß am besten, wie das geht, deshalb sollten wir ihr die Entscheidung überlassen.
Ein gutes Beispiel hierfür ist die entmilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea. In den letzten Jahrzehnten hat sich diese Zone zu einem Naturparadies entwickelt, in dem sich seit einiger Zeit der ostasiatische Weißnackenkranich zum überwintern wieder eingefunden hat. Die Tiere scheinen zu wissen, wo es ihnen gut geht.
Und genau das sehe ich in meinem kleinen Innenhofgarten, den ich von einer Wüste in ein naturnahes Paradies umgewandelt habe. Das war schwer, vor allem bei den trockenen Sommern. Doch jetzt haben sich etliche Pflanzen etabliert, die den Garten auch bei der größten Hitze schützen. Je dichter sie stehen, umso mehr hält sich die Feuchtigkeit. Im Moment sieht alles winterlich öde aus, aber ich freue mich schon auf den Februar, wenn die ersten Krokusse blühen und bei den ersten warmen Strahlen die Wildbienen von Blüte zu Blüte fliegen…