
Von Hongrang bis Pfingsten – Über die Kunst, sichtbar zu werden
Pfingsten – ein langes Wochenende, Ferienbeginn, Urlaubsstart. Wer kann, fährt weg. Und wer bleibt, bleibt oft gefühlt allein zurück. Ich bin geblieben. Ohne Plan, ohne festgelegtes Ausflugsziel, ohne große Erwartungen. Auch weil ich überfüllte Orte an Pfingsten nicht mag.
Stattdessen habe ich mir zu Beginn des Wochenende ein neues Netflix-K-Drama angeschaut: Dear Hongrang (Trailer). Die passende Mini Pfingst-Serie, um sich inspirieren zu lassen.
Serientipp: 탄금 Dear Hongrang
Elf Folgen genügen, um einen tief zu erschüttern. Dear Hongrang, ein historisches K-Drama auf Netflix, spielt in der Joseon-Dynastie und erzählt von Verlust, Identität und der Suche nach Wahrheit. Ein junger Mann kehrt nach zwölf Jahren in seine Familie zurück – doch nicht alle glauben, dass er der ist, für den er sich ausgibt.

In Episode 3 sitzen die beiden Hauptfiguren Rücken an Rücken, getrennt durch eine dünne Papierwand. Hong-rang spricht über seine Sehnsucht nach Zugehörigkeit und sagt:
왜, 남들은 태어날 때부터 뭔가가 되어 있잖아. 뭐, 하다못해 이웃이라도,
누군가의 아우, 아니면 누군가의 친척이나 동무,
누군가의 아들. 근데 난 뭐도 아니었어.
계속 혼자더라고. 툭 떨어진 것처럼.
어디서. 누군가의 동료가 돼 보려고도 해 보고.
„Jeder ist von Geburt an irgendjemand. Der Sohn von jemandem, der kleine Bruder, ein Cousin oder ein Freund. Sogar einfach nur ein Nachbar. Aber ich war nie irgendjemand für jemanden. Ich war immer allein. Als wäre ich vom Himmel gefallen. Ich habe versucht, wenigstens jemandes Gefährte zu sein.“ Hongrang Episode 3
Die Serie ist ruhig erzählt, aber voller Spannung. Hinter höfischer Zurückhaltung liegen Schmerz, Machtspiele und der Wunsch nach Zugehörigkeit. Es geht um mehr als Vergangenheit – es geht darum, wer man wird, wenn niemand mehr weiß, wer man war.
Was Dear Hongrang besonders macht, ist die Ästhetik: Die Kamera arbeitet mit Licht und Raum, mit feinen Übergängen und kontrollierter Nähe. Farben, Kleidung, Bewegungen – alles wirkt wie gemalt. Jedes Bild hat Gewicht. Unglaubliche Landschaftsbilder und wunderbare Musik (z.B. Yoamja von Kwon Jin Ah) machen das Drama zu etwas Besonderem.
Doch sei gewarnt: Diese Geschichte (FSK16!) ist viel tiefer als die Serienbeschreibung erkennen läßt, nimmt dich mit und lässt dich nicht ganz heil zurück. Wer Leichtigkeit sucht, wird sie hier nicht finden. Wer aber bereit ist, sich auf Schönheit einzulassen, die auch wehtun darf – wird tief berührt werden.
Und so endet sie mit diesem wunderschönen Satz:
„Nur weil du etwas nicht sehen kannst, heißt das nicht, dass es verschwunden ist. Genauso wie du an einem regnerischen Tag die Sterne nicht sehen kannst, heißt das nicht, dass sie nicht da sind.“ – Jae Yi
Elf Folgen, die anders sind als vieles, was ich in letzter Zeit gesehen habe.
Kein Kitsch, keine Effekte, dafür eine Geschichte, die nachhallt. In ihrer Traurigkeit, in ihrer Schönheit, in ihrer Würde. Wie genau die Kamera hinschaut, ohne etwas erklären zu müssen. Und wie sehr das mit meiner eigenen Arbeit zu tun hat.
Immer wenn ich nach so einem Drama rausgehe, nehme ich sie als tiefen Nachhall in mir mit. Nicht um etwas zu fotografieren, sondern um wieder im Tag anzukommen.
In solchen Momenten kommt oft der Impuls, etwas zeigen zu wollen, was ich tief in mir drin gespürt habe. Nicht weil es spektakulär ist. Sondern weil es da ist.
Und weil es schade wäre, wenn es einfach wieder verschwindet.

Dieses Gefühl des ‚Sichtbarwerdens‘ hat mich an etwas erinnert, was oft vergessen wird: die eigentliche Bedeutung von Pfingsten.
Wusstest du eigentlich, was wir an Pfingsten feiern?
Pfingsten ist ein christliches Fest, das 50 Tage nach Ostern begangen wird. Der Name stammt vom griechischen pentēkostē – „der fünfzigste“. Nach der biblischen Überlieferung in der Apostelgeschichte kam an diesem Tag der „Heilige Geist“ auf die Jünger Jesu herab. Sie begannen, in verschiedenen Sprachen zu sprechen – als Zeichen für Verständigung, Offenheit und Verbindung über Grenzen hinweg. In der christlichen Theologie gilt dieser Moment als Wendepunkt: Die Jünger traten zum ersten Mal öffentlich auf, sprachen vor Fremden, wurden sichtbar – und aus einer kleinen, zurückgezogenen Gemeinschaft entstand etwas Größeres.
Wollen wir diesen Gedanken als Fotografen auch in die Gegenwart übertragen?
In meinen Gesprächen mit anderen Fotografen erfahre ich oft, dass die aufgenommenen Bilder nicht gezeigt werden. Pfingsten ist ein kleiner Anstoß, aus der Zurückhaltung herauszutreten. Für Fotografinnen und Fotografen könnte das bedeuten: die eigenen Arbeiten nicht länger nur auf der Festplatte zu lassen, sondern sie zu zeigen. Vielleicht in einem kleinen Blogbeitrag. In einem Schaufenster als Druck. In einer lokalen Ausstellung oder einfach im Freundeskreis.
Nicht, um zu überzeugen – sondern um sichtbar zu werden.
Denn was nützt das Sehen, wenn niemand sieht, was du gesehen hast?
Ich wünsche dir ein paar erholsame Feiertage – ohne Stress, aber mit vielen neuen Eindrücken. Und mit dem einen oder anderen Bild, das du nicht für dich behalten musst.

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