Mit allen Sinnen: Die Welt der Pflanzenfarben
Als ich vor über einem Jahr in die Welt der Buchbinderei eingetaucht bin, haben mich vom ersten Tag an Buntpapiere, die oft als Vorsatzpapiere eingesetzt werden, fasziniert.
Dabei habe ich viel über die Herstellung erfahren und feststellen müssen, dass die schönsten Buntpapiere heute gar nicht mehr hergestellt werden. Das liegt daran, dass die Herstellung von Buntpapieren den Buchbindereien oblag und vor allem von Frauen hergestellt wurden.
Mit der Zeit entwickelte sich für mein kunststofffreies Sachbuch „Gefühl und Verstand – Naturfotografie“ der Wunsch, auch das Vorsatzpapier selber herzustellen.
Das liegt heute noch in absoluter Ferne, aber einen ersten Schritt habe ich gemacht. Ich habe die wunderbare Susanne von @sevengardens_thueringen in Thüringen besucht und bei ihr einen Workshop zum Thema Herstellung von Pflanzenfarben besucht.
So haben wir im ersten Schritt aus verschiedenen Blüten Farben auf Papier gerieben und beobachtet, ob die Blüte auch den jeweiligen Farbstoff abbildet. Nicht immer ist das der Fall.
Susanne hat einen wunderbaren Färberpflanzen-Garten, wo sie mir alles über die Pflanzen erzählte. Vor allem welcher Teil welche Farbe produziert. Das hört sich so einfach an, aber das ist eine Wissenschaft für sich. Zumal viel Wissen über die Jahrhunderte verloren gegangen ist und neu entdeckt werden muss.
Den restlichen Tag haben wir aus getrockneten Pflanzen Farben gekocht und daraus vor allem Tinten hergestellt. Was für eine aufwendige Arbeit! Und vor allem, wie wenig Farbe aus 100g Blütenmasse entsteht.
Trotz allem, ich war begeistert und konnte mir erste Grundlagen zur Pflanzenfarben-Herstellung erarbeiten. Es ist ein Unterschied, ob man mit Pflanzen Wolle färbt oder ob man mit Pflanzenfarben auf Papier malen möchte.
An dieser Stelle ein herzliches Danke an Susanne für den wunderbaren Workshopstag. Ich kann nur jedem empfehlen, Susannes Färberworkshops zu besuchen!
Nachdem Workshop in Erfurt habe ich einen weiteren Pflanzenfarben-Kurs im Botanischen Garten in Oberholz besucht. Hier haben wir vor Ort Blüten gesammelt, die Farben mit Alaun gekocht und sie mit Zitronensäure oder Natron verändert. Anschließend haben wir mit den selbst hergestellten Farben gemalt. Es sind wunderbare Werke entstanden.
In den letzten Tagen habe ich selber mit Pflanzenfarben experimentiert. Dazu habe ich u.a. Fingerhut oder Vogelwicke ausprobiert. Aus dem Kurs im Botanischen Garten wusste ich, wie sehr sich die Gartenrose von der Damaszenerrose farblich unterscheidet. Ich fülle die Farben in dunkle Apothekergläser und schütze sie mit Nelkenöl gegen Schimmel.
Wir haben erst Ende Juni. Viele Blumen und Früchte werden erst in den nächsten Wochen reif, sodass ich meine Pflanzenfarbensammlung noch erweitern kann.
Weitere Infos
Susanne Frenzel Workshops Pflanzenfarben
Botanischer Garten Oberholz Workshop Pflanzenfarben
Buchtipps:
Erckenbrecht, P. Reichenbach (2017): Farbstark mit sevengarden*
B. Behan (2019): Naturfarben*
H. Arendt (2009): Werkstatt Pflanzenfarben*
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Das Besondere an Pflanzenfarben ist, dass nicht nur die Farbintensität schwankt, sondern das ganz oft eine andere Farbe nach dem Kochen mit Alaun entsteht, als die Blütenfarbe es vermuten lässt. So bleiben die Farbexperimente spannend und unvorhersehbar. Ich habe in meiner Küche auch Kornblumenblüten gekocht und meine Farbe war eine andere als im Botanischen Garten.
Dabei muss man beachten: In welchen Topf man kocht, ob er aus Emaille, Edelstahl oder einem anderen Material besteht. Auf welchen Papier man die Farbe aufträgt, denn der PH-Wert verschiedener Papierarten schwankt deutlich.
Dazu kommt, auf welchem Boden die Pflanze gewachsen ist. Zum Beispiel Rotkohl: In sauren Böden erscheint die Blattfarbe eher rot, in alkalischen Böden dagegen bläulich. Auch gibt es unterschiedliche Arten an Kamille, Tagetes und Co.
In den nächsten Bildern möchte ich die Blüte und die entstandene Farbe zeigen:
Die obere Farbe ist die gekochte Pflanzenfarbe mit Alaun. An zweiter Stelle kommt die Farbe mit Zitronensäure und an unterster Stelle ist die Pflanzenfarbe mit Natron verändert.
Was meinst du? Welche Farbe gefällt dir am Besten?
So sehr mit die Herstellung der Pflanzenfarben Freude bereitet und auch das Malen damit ist wunderbar kontemplativ bleibt ein Wermuts-Tropfen: Die Pflanzenfarben sind nicht lichtecht und verschwinden selbst in dunklen Orten nach ein bis zwei Jahren. Übrig bleibt meistens ein brauner Fleck.
Doch wir halten es wie Queen schon sang: „Who wants to live for ever…“