
Liebesbrief an Hiddensee im Winterlicht: Romantische Impressionen einer stürmigen Inselidylle
Die letzten Monate waren turbulent, weshalb ich den Wunsch verspürte, eine Zeitlang alleine an der Ostsee zu verbringen. Ich brauchte dringend eine Orts- und Luftveränderung. Es war schnell klar, dass ich eine Reise auf die fast autofreie Insel Hiddensee machen wollte. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich jemals auf Hiddensee war. Ich denke, ich war Ende der 80er Jahre auf einer Klassenfahrt hier. Aber so richtig erinnern kann ich mich nicht mehr daran, so dass die Insel für mich ganz neue Eindrücke hervorruft. Nach einigem Zögern und dem Lesen von Literatur zum Thema ‚Als Frau alleine verreisen‘, habe ich es Ende Januar einfach gemacht und bin alleine auf die Insel gekommen.


In den ersten Tagen hatte ich das Gefühl, hier komplett alleine zu sein, da nur wenige Menschen zu sehen waren. Leider hat sich das mit Beginn der Winterferienzeit geändert und ich mag mir nicht vorstellen, wie es hier im Sommer aussieht. Die Gespräche, die ich mit Einheimischen geführt habe, haben keinen guten Eindruck bei mir hinterlassen. Ich kenne die Problematik des Massentourismus bereits von Rügen, doch hier auf der kleinen Insel möchte ich mir das wirklich nicht vorstellen. Umso schöner ist es, dass ich die Möglichkeit habe, Hiddensee fast alleine zu erkunden.
Meine Vorstellung war es, tagsüber Rad zu fahren, die Orte zu erkunden und zu fotografieren. Am späten Nachmittag, wenn die Sonne früher untergeht, zu schreiben. Ich konnte monatelang nicht mehr fotografieren und erhoffte mir von der Auszeit, wieder inspiriert und kreativ zu werden. Leider ist es gar nicht so einfach, den Alltag hinter sich zu lassen und hier anzukommen. Gleich zu Beginn meiner Auszeit bin ich krank geworden. Ich fühlte mich wie in meiner Schulzeit, als ich regelmäßig in den Ferien krank wurde. Dieses Phänomen ist jedoch nicht ungewöhnlich, ich denke, das hat schon jeder erlebt.

Mittlerweile fühle ich mich etwas angekommen. Ich erkunde fast täglich viele Wege mit dem Rad, sofern Sturm und Regen es zulassen. Im Winter gestaltet sich das jedoch schwieriger. Der Fahrradweg an den Dünen ist durch die Stürme stark mit Sand bedeckt. Andere Wege Richtung Süden sind verschlammt, sodass jede Fahrt einem Abenteuer gleicht. Inzwischen habe ich mich auch daran gewöhnt, dass die Hauptfahrradwege gepflastert sind und einige Streckenabschnitte sehr holprig zu fahren sind. Ich muss gestehen, dass ich mir die Wege auf einer Fahrradinsel etwas komfortabler vorgestellt habe.

Ich kann jedoch auch die Gründe dafür verstehen, dass die Inselbewohner sich wohl gegen eine Verbesserung ausgesprochen haben. Wie ich es schon im Schwarzwald erlebt habe, fahren hier viele E-Bikes mit einem unglaublichen und teilweise rücksichtslosen Tempo an einem vorbei. Wären die Wege barrierefrei geteert, wäre es – vor allem in der Hauptsaison – bestimmt noch schlimmer. Ich stelle mir vor, wie sich in der Hochsaison Lastenfahrräder, Fahrräder mit Anhänger und andere Modelle auf dem schmalen Deichweg von Vitte nach Kloster treffen. Zum Glück sind jetzt nur wenige Menschen unterwegs.

In den ersten Tagen hat sich Hiddensee von ihrer besten Seite gezeigt. Sie hat statistisch gesehen die meisten Sonnenstunden in Deutschland und ich habe schon einige davon genossen. Das Licht an der Ostsee ist wie immer unvergleichlich. Besonders mag ich das Gegenlicht der tiefstehenden Wintersonne, wenn der Horizont im Winter flimmert und sich ein leichter Schleier über dem Meer bildet. Stundenlang bin ich an diesen kalten Tagen am endlosen Strand von Vitte entlanggewandert. Hier brechen alle paar Meter die Wellen an den Buhnen.

Etwas außerhalb von Vitte, entlang der Dünenheide, bilden sich Schwärme von Möwen, die scheinbar in Eintracht mit den vielen Enten am Strand leben. Dazwischen sind immer wieder kleine Gruppen von Strandläufern, besser gesagt Sanderlingen, unterwegs, die ich nur zu gerne beobachte.

Sie sind wirklich amüsant, wie sie der sich zurückziehenden Welle hinterherlaufen und schnell ein paar Meeresfrüchte im Sand aufsammeln, um dann in Eile vor der neuen Welle wieder wegzulaufen. Ich könnte stundenlang zuschauen.

Dazwischen sind immer Möwen, die sich lieben und hassen und nicht miteinander auskommen können, aber auch nicht ohne einander. Es gibt ständig Streit und Ärger. Wenn sich jedoch eine der vielen Krähen nähert, sind sie sich schnell einig und vertreiben den Eindringling, um dann gleich wieder weiterzuzanken.

So vergehen die Stunden am Strand, während sich die Sonne dem Horizont nähert. Im Winter fallen die Temperaturen schnell, besonders bei untergehender Sonne und rauem Wind. Obwohl es konstant um die 5°C ist, fühlt es sich im stürmischen Ostseewind wie Minusgrade an.
Seit ein paar Tagen fegt ein Wintersturm über die Insel und bringt viel Regen mit sich. Wenn man sich an den Strand traut, hat man das Gefühl, dass der Sand wie kleine Glasscherben ins Gesicht geweht wird und die Haut zerstört. Manchmal ist der Wind so stark, dass es schwer fällt zu atmen. Der Sand knirscht dabei im Mund und dringt in alle Ritzen und Lücken, selbst unter der Mütze. Auf dieser Insel muss man mit dem Sand leben. Die Winterstürme halten den Sand auch nicht durch geschlossene Türen und Fenster ab.

Ich bin gespannt, wie sich das Wetter in den nächsten Tagen entwickeln wird. Ich hatte mir ja so sehr Schnee gewünscht, aber die Temperaturen sehen nach Frühling aus. Die Schneeglöckchen blühen hier schon fleißig. Es gibt noch einige Orte auf der Insel zu entdecken, bevor ich mit der Fähre zurück nach Rügen fahre, um dort noch ein paar Winterferientage mit meiner Familie zu verbringen. Bis dahin genieße ich die Abgeschiedenheit, den Winter, das Licht und sogar den feinen weißen Ostseesand. Ich werde berichten…
PS: Alle gezeigten Aufnahmen habe ich mit der Nikon D750 und meinem altbewährten Nikkor 50mm 1.4 Festbrennweitenobjektiv gemacht.
Zuletzt kommentiert
Kirsten Müller
Hallo Jana,
danke für deinen Bericht von der Insel. Mir ging es voriges Jahr ähnlich und ich bin im Februar das erste mal allein ein paar Tage nach Binz gefahren, da es sich mit dem Zug sehr gut erreichen läßt und ich Probleme mit dem Laufen habe. Lange Strandwanderungen sind bei mir nicht drin.Insofern war ich froh, dass es eine gut ausgebaute Strandpromenade gibt.Unter der Woche waren auch nicht viele Touristen da. Die Cafes und Restaurants konnte man gut besuchen. Beeindruckend fand ich die Sterne am Nachthimmel. Ich mag mir aber nicht vorstellen, wie es hier im Sommer ist, mal abgesehen von den Preisen für Übernachtungen. Ich habe viel Bäderarchitektur fotografiert und natürlich Möwen am Strand.
Sehr angenehm fand ich die Sauberkeit überall. Das bin ich von Berlin nicht gewohnt. Ich wünsche dir noch ein paar schöne Inseltage.
Herzliche Grüße
Kirsten
Jana Mänz
Kirsten MüllerLiebe Kirsten,
ja die Übernachtungspreise in der Haupt- und Nebensaison an der Ostsee sind mittlerweile nicht mehr bezahlbar. Dazu kommen Kurtaxe, die in Rügen teilweise schon bei 3,50 pro Tag liegen. Über Restaurantpreise brauchen wir gar nicht mehr nachdenken. Darum genieße ich momentan die Vorsaison, wer weiß, wann ich mir das mal wieder leisten kann. Schade das es im Moment den ganzen Tag nur regnet, ich hoffe auf besseres Wetter…
Benedix Sieglinde
Hallo Jana,
ich freue mich für Dich, eine Auszeit auf Hiddensee zu erleben.Deine Bilder und Berichte lassen einen richtig dabei sein…
Schöne Zeit mit der Familie wünsche ich Euch für Rügen.
Liebe Grüße
Sieglinde