Millionen-Dollar-Frage: Wie entwickelt man seinen eigenen fotografischen Stil?
Die Frage nach dem eigenen Stil habe ich mir schon oft gestellt und auch in meinen Workshops wurde ich gefragt: “Wie kann ich einen eigenen, unverkennbaren fotografischen Stil entwickeln?“ Das ist keine Frage, die man in einem kurzen Satz ganz klar beantworten kann. Und ich bin auch nicht derjenige, die ganz eindeutig aus eigener Erfahrung erklären kann, wie man einen eigenen Stil entwickelt, da ich selber seit über 20 Jahre auf der Suche bin und mich immer noch ausprobiere. Das ist des Pudels Kern! Ich denke, es ist vor allem eine Frage der Zeit. Wie viel Zeit und Energie man in seine fotografische Entwicklung investieren möchte, wie sehr man lernfähig ist, freudig am Experimentieren. Wie sehr man kreativ ist, wandlungsfähig und gleichzeitig Beständigkeit in seiner Arbeit zeigt.
Inhaltsverzeichnis
Grundsätzlich gibt es einen interessanten Widerspruch im Kern der kreativen Arbeit. Einerseits ist es wichtig, einen einheitlichen Stil zu entwickeln. Etwas Unterscheidbares in deiner Arbeit, dass es dir ermöglicht, dich als einzigartig von anderen Künstlern abzuheben. Du hast es sicherlich schon selbst erlebt, dass es nicht lange dauert, um zum Beispiel einen Film von Tim Burton zu erkennen, ohne dass du vorab wusstest, wer der Regisseur gewesen ist.
Auf der anderen Seite ist ein ebenso wichtiger Teil der Kreativität die konsequente Veränderung, Wandlungsfähigkeit und sich ständig weiterentwickelnde Nuancen innerhalb seines „Stils“.
Die Millionen-Dollar-Frage lautet also: Wie können wir in uns stimmig bleiben sein und gleichzeitig Veränderung und Vielfalt einbeziehen?
Orientiere dich an die Natur
Es gibt etwas offensichtlich Unterscheidbares an einem Fluss, einem Baum, dem Ozean. Wir können sie uns ansehen und auf einen Blick bestätigen, was sie sind. Aber was passiert, wenn wir etwas genauer hinsehen? Ständige Bewegung und Veränderung. Der Ozean mit Ebbe und Flut. Bäume wechseln je nach Jahreszeit ihre Farben.
Welche Geschichte möchtest du uns mit deiner Kunst erzählen? Welche Erfahrung schenkst du deinem Publikum? Genau wie der Baum hoffen wir, auf den ersten Blick erkennbar zu sein, aber bei genauerer Betrachtung immer interessanter zu werden. Kunst weckt Emotionen und Gedanken.
Wenn ein Kunstwerk einen anderen Menschen anspricht, dann deshalb, weil er etwas Vertrautes darin spürt. Die Aufgabe des Künstlers besteht also darin, vertraute menschliche Emotionen auf einzigartige und interessante Weise auszudrücken.
Hier sind einige Dinge, die du bei deiner Entwicklung deines künstlerischen Stils beachten sollten:
Das Genre
In welches Genre fallen deine Inhalte? Einige Beispiele sind: Natur, Landschaft, Architektur, Lifestyle, Portraits, Fantasy etc. Du musst dich nicht in eine Schublade stecken, aber die Festlegung eines Genres, in dem deine Arbeit aufgehen soll, kann eine gute Möglichkeit sein, deinen einzigartigen Stil zu entwickeln. Ich selber habe viel ausprobiert und irgendwann habe ich in mir festgestellt, dass von allen Genres die Naturfotografie meins ist. Das ich alles andere wie Produktfotografie, Familienfotografie oder Hotelfotografie auch gerne mache – aber mein Herz schlägt eindeutig für die Naturfotografie. Wofür schlägt dein Herz?
Die Umgebung
Wenn du Fotograf bist, in welcher Umgebung fotografierst du normalerweise? Woher kommen die meisten deiner Inhalte? Fotografierst du in einem Studio? Draußen – Wald, Küste Berge, Wüste…? In Städten oder in der Natur? Michael Kenna ist ein großartiges Beispiel für einen Fotografen, der einen einzigartigen Stil (schwarz-weiß) entwickelt hat, indem er diese beiden Elemente von Genre (Naturfotografie) und Umgebung (Draußen in der Natur) verwendet. Seine Fotos sind breit gefächert und alle sehr unterschiedlich, aber durch die Festlegung auf schwarz/weiß, minimalistische Landschaft sind seine Fotografien im Stil einzigartig. Natürlich wird es immer Menschen geben, die seinen Stil kopieren, aber trotzdem wird seine Art der Naturfotografie mit seinem Namen immer verbunden bleiben. Was ist deine Lieblingsumgebung?
Deine Themen
Wenn du deinem Portfolio weitere Fotografien hinzufügst, wirst du wahrscheinlich einige unterscheidbare Themen in deiner Arbeit erkennen. Vielleicht steht deine Arbeit für die Erforschung von…. Für andere können die Themen Natur, Umwelt, Ökologie, Politik, Wirtschaft und sozialer Wandel sein. Andere Themenbeispiele sind technisch oder kreativ, Themen helfen dir, eine Leitlinie zu entwickeln, um deine Arbeit weiter voranzutreiben. Kreative Schöpfer wählen eine Handvoll Themen aus, die ihnen wichtig sind, um sie in ihrer Arbeit zu entwickeln. Welche Themen sprechen dich an?
Wenn du im Genre, Umgebung und Thema nahezu übereinstimmend bleibst, kannst du deinen kreativen Stil verfeinern. Ich habe für mich die Naturfotografiein Verbindung mit japanischer Ästhetik wie Wabi-Sabi und kreativer Bildbearbeitung miteinander verbunden. Kannst du für dich sagen, welche Elemente du miteinander verbunden hast oder willst?
Aber wie kannst du vorgehen, um innerhalb deines Stils Abwechslung zu schaffen? Das ist der kreative Teil.
Sei wie ein Schwamm
Von wem fühlst du dich inspiriert? Gibt es einen anderen Künstler, dessen Arbeit dich anspricht? Wieso die- oder derjenige? Ohne direkt zu kopieren oder zu stehlen, können wir Ideen und Inspiration aus der Arbeit aufnehmen, die uns inspiriert, und Elemente davon in unsere eigene Arbeit integrieren. Es gibt so viel Inspiration da draußen. Bei Kreativität geht es darum, Dinge zu nehmen, die bereits da sind, und sie in etwas Neues zu verwandeln. Beginne mit einer großen Sammlung von Inspirationen und Ideen (Storyboard – Pinterest eignet sich dafür hervorragend) und entwickle deine eigene Sichtweise.
Aber: Ganz wichtig – orientiere dich nicht ausschließlich an deinen Lieblingsfotografen und kopiere sie nicht. Benutze nicht die selben Presets und Filter. Ich kenne genügend Fotografen auf Instagram, die alle von einander abschauen, dass man sie nicht mehr auseinander halten kann. Wollen wir das?
Bleib immer in Bewegung
Lass deine Arbeit nicht stagnieren. Kunst erzählt eine Geschichte, und der Betrachter möchte auf eine Reise mitgenommen werden. Welchen Weg nimmt das Auge des Betrachters bei Fotografien oder Gemälden durch das Kunstwerk? Wie kannst du diese Reise interessanter gestalten? Wohin soll deine Aufmerksamkeit gelenkt werden? Wie kannst du das Interesse des Betrachters von einem Bild zum nächsten Aufrechterhalten? Bleib in Bewegung. Kunst in allen Formen ist wie das Erstellen eines Puzzles, das der Betrachter selbst zusammensetzen kann. Wenn es zu offensichtlich ist, kann der Betrachter das Interesse verlieren. Aber wenn wir den Betrachter anleiten und dazu anregen können, seine eigenen Schlüsse zu ziehen, haben wir die Prinzipien der Bewegung erfolgreich in unsere Kunst integriert.
Laß dein inneres Kind spielen
Nimm nicht alles zu ernst. Wahrscheinlich hast du bereits einige Parameter festgelegt, in die deine Arbeit passen soll. Wenn du deinem Handwerk der Fotografie genügend Zeit widmest, wird sich dein Stil auf natürliche Weise weiterentwickeln. Wie kann man also spielerisch damit umgehen? Welche Elemente kannst du deiner Arbeit hinzufügen und ihm eine erfrischende Dosis Unbeschwertheit verleihen? Beim Schreiben ist es vielleicht eine Anekdote, um den Leser direkt anzusprechen. In der Fotografie fügst du vielleicht ein zufälliges Element ein, dass sich beim Betrachter fehl am Platz anfühlt oder du nimmst stattdessen etwas weg. Warum färbst du eine rote Erdbeere nicht mal türkis ein? Oder benutzt Dinge beim Fotografieren, die mit deiner Fotografie erst einmal nichts zu tun haben?
Dies wird Neugier und Faszination wecken und den Betrachter dazu bringen, sich zu fragen, was der Zweck ist. Auch wenn es keinen Zweck gibt, ist es etwas zum Reden und Nachdenken. Doch beachte bei aller Spielerei: Es gibt Fotografen die gerne witzig sein wollen und Aufmerksamkeit erregen möchten. Wie die des Selbstportrait eines pinkelnden Menschen an den Kreidefelsen von Rügen, als Persiflage von Caspar David Friedrich. Aufregung hat er es verursacht, aber ist es deswegen Kunst und nicht eher eine Spielart von Eigensucht? Es ist eine Frage der Balance. Zu wenig Esprit ist langweilig, zu viel Witz kann ins genaue Gegenteil umschlagen.
Verwechsele deinen eigenen Stil nicht mit Anerkennung.
Finde dein Gleichgewicht
Wie bei den meisten Dingen scheint das Finden eines Gleichgewichts der Schlüssel zu sein. Wir wollen konsistent und wiedererkennbar sein, aber auch spannend und sich ständig verändern. Das Gleichgewicht zu finden, ist nicht einfach. Am Besten ist, man bleibt sich selber treu und hört auf sein Bauchgefühl. Auch wenn ich selber gerne technische Dinge ausprobiere (z.B. Doppelbelichtung) und es auch gerne mal mit der Bildbearbeitung übertreibe, sind meine Naturfotografien immer noch echte Fotos. Als Geographin, als Naturwissenschaftlerin ist der Bezug zur realen Natur mir immer noch sehr wichtig. Ich versuche immer, das Handwerk der Fotografie, meine naturwissenschaftliche Ausbildung und meine kreativen Ideen als Künstlerin ein Einklang zu bringen.
Fazit
Wie immer im Leben bestimmt die Ausgewogenheit aus Kreativität, Wandelbarkeit und gleichzeitiger Beständigkeit wie man seinen eigenen Stil findet. Zum einen beharrlich bleiben und gleichzeitig Neues wagen. Nun, das klingt einfach, ist es aber nicht. Schnell kommt man vom Weg ab, verliert die Lust und bleibt nicht am Ball. Verliert sich im Tausendfachen oder macht zu viel auf einmal. Einen eigenen Stil zu finden heißt nicht, 50x das selbe Motiv zu fotografieren. Das bedeutet nur, dass du fleißig bist.
Ich schreibe das aus eigener Erfahrung und auch ich war schon oft an dem Punkt alles hinzuwerfen und mir einen Job bei Aldi an der Kasse zu suchen. Aber auch das ist normal, zumindest haben mir das immer andere bestätigt.
In diesem Sinn: Gib nicht auf, bleib dir treu und höre vielmehr auf dein Bauchgefühl als auf das, was andere sagen oder machen. Und Hand aufs Herz: Vielleicht hast du schon längst deinen eigenen Stil gefunden und weißt es nur noch nicht? Dann erstell jetzt gleich mal eine Collage aus den besten Bildern des letzten Jahres und schau sie dir an. Erkennst du schon deinen Stil?
Komm mit am 1. April 2023 auf meinen Workshop Jahreszeitenreise
Ein Naturfotografie-Workshop für alle, die mehr als nur Fototechnik wollen. Die tiefer eintauchen möchten und Naturfotografie achtsam mit allen Sinnen erfahren möchten. Die auf der Suche nach neuen Impulsen sind.
Möchtest du bei der nächsten 356 Tage Jahreszeitenreise dabei sein? Der nächste Home-Naturfotografie Workshop startet am 1. April 2023
Reserviere noch heute deinen Platz!
Anmeldeschluß: 1. März 2023
Zuletzt kommentiert
Dirk Trampedach
Hallo Jana,
mit meinem ersten Kommentar auf deiner wunderbaren Webseite möchte ich gerne „Hallo“ sagen. Ich stöbere hier schon eine ganze Weile sehr begeistert herum, nicht zuletzt Dank der Initialisierung durch Peter Roskothen, bei dem ich dein maximal beeindruckendes Buch anschauen durfte.
Nicht zufällig habe ich mir für ein paar Zeilen + Gedanken diesen Artikel ausgesucht. Das Thema polarisiert, und geistert so lange durch die Foto-Welt, wie sie wohl existiert, und ja, jede/r möchte gerne den Status erlangen, seinen eigenen Stil gefunden zu haben. (Du hast ihn, so, wie´s aussieht!!)
Müsste man nicht, bevor man sich mit der Suche nach seinem Stil auseinandersetzt, für sich definieren, was man selbst damit meint? Ich frage mich z.B. schon sehr lange, ob es völlig ausreicht, seinen eigenen Stil nur für sich alleine zu definieren, umzusetzen, und zu erkennen, oder ob ein eigener Stil erst dann „echt“ ist, wenn auch Dritte das so sehen. Wirklich abschließend beantworten kann ich es nach wie vor nicht. Ich tendiere allerdings dahin, die Vorgehensweise als Stil deutlich höher zu bewerten, als die bloße Wirkung des Ergebnisses. Wer kompetent genug ist, und ein Foto aufmerksam anschaut, entdeckt den Stil nicht darin, WAS wir als Motiv gesehen haben, sondern WIE wir es gesehen haben. Wenn es geglückt ist, zu zeigen, wie wir sehen, und ein Betrachter erkennt uns in unserer Sicht auf die Dinge, könnte das gleichbedeutend der Stil sein, der unsere Arbeiten auszeichnet. Je eindeutiger wir für uns typisch sehen lernen, umso deutlicher wird der eigene Stil, es fotografisch auszudrücken.
Herzliche Grüße aus Siegen,
Dirk
Jana Mänz
Dirk TrampedachLieber Dirk, herzlich willkommen! Jetzt verstehe ich den Satz: „Dein maximal beeindruckendes Buch anschauen durfte“… Du hast es in echt bei Peter angeschaut :-) Das freut mich.
Zu deiner Antwort mit dem eigenen Stil habe ich neulich eine schöne Antwort gehört, ich habe in meinem Blog schon über meine Leidenschaft K-Dramen zu schauen geschrieben. In dem K-Drama „Rich man poor woman“ geht es in einer Nebenszene um einen jungen Künstler, Maler, der ein Porträt malen soll. Die Frage war, was den Unterschied zwischen einem guten Porträt und einem besonderen Porträt ausmacht. In einem guten Porträt ist der Porträtierte sehr gut dargestellt. Jeder erkennt ihn sofort. In einem besonderen Porträt bringt der Künstler seine eigene Art zu malen ein, so dass der Künstler später immer erkennbar ist. So ist es auch in der Fotografie. Viele Fotografen können sehr gut Vögel fotografieren. Die Bilder sind perfekt. Aber es gibt sie gefühlt eine Million Mal. Besonders werden sie erst, wenn die Art und Weise, wie fotografiert wurde, auf den Künstler schließen lässt. Das ist dann der berühmte eigene Stil. Und das ist unglaublich schwer, denn in der Fotografie etwas auf seine Weise zu fotografieren ist nicht einfach. Ich bin auch am üben, denn der Weg zum eigenen Stil ist das spannende. Und erst in vielen Jahren werden andere diesen Stil erkennen können, wenn überhaupt. LG Jana