
Wilde Orchideen – die wahren Königinnen unter den Blumen
Als junge Jenaer Studentin der Geographie gehörte es zum guten Ton, während der Studienzeit mindestens einmal eine Orchideenwanderung in den Muschelkalkhängen im Leutratal besucht zu haben. Das ist nun weit über 20 Jahre her und was mir am deutlichsten in Erinnerung geblieben ist, ist folgende Geschichte:
„Vor vielen Jahren habe ich im Frühling eine geführte Orchideenwanderung im Leutratal bei Jena besucht. Die zum Teil sehr seltenen Orchideen wachsen an den Muschelkalkhängen innerhalb des Naturschutzgebietes. Sie sind teilweise so klein und unscheinbar, dass man sie ohne fachkundliche Führung nicht finden würde. Wir waren in einer größeren Gruppe unterwegs, und sobald eine Orchidee gefunden war, wurde sie ausführlich erklärt. Alle hielten Abstand und bildeten einen Kreis um die Blüte. Und dann passierte das Unglaubliche: Nachdem die Erklärung zu Ende war und es weiterging, trampelten einige aus der Gruppe die Orchidee nieder. Sicherlich nicht aus Bösartigkeit, sondern eher aus Gedankenlosigkeit.“ Aus „Naturfotografie mal ganz anders“, S.13
Inhaltsverzeichnis

Wann blühen Orchideen?
Nachdem ich Jena verlies, vergaß ich die Orchideen. Wieder entdeckt habe ich sie, als ich durch Zufall eine wilde Orchideenwiese auf der Insel Rügen fand. Hier fotografierte ich das Breitblättrige Knabenkraut auf einer Feuchtwiese. So erinnerte ich mich an die wilden Orchideen in Thüringen und seitdem lassen sie mich nicht mehr los. Denn das Naturschutzgebiet Leutratal bei Jena ist nicht der einzige Standort in meiner Region. Nur wenige Kilometer weiter, im Unstrut-Tal bei Naumburg (Sachsen-Anhalt) befindet sich das Naturschutzgebiet „Tote Täler“, in dem eine Vielzahl an wilden Orchideen wachsen.
Jetzt, Ende April blühen schon die ersten Orchideen. Aufgrund der warmen Temperaturen hat die Orchideenblüte zwei bis drei Wochen eher begonnen. Das wäre an sich nicht weiter tragisch, wenn nicht der Regen fehlen würde. So vertrocknen die Blüten und Blätter, bevor sie sich vollständig entwickelt haben. Die Hauptzeit der Orchideenblüte ist im Mai, Juni und es gibt vereinzelt Arten die Ende August, Anfang September blühen.

Wusstest du…
Orchideen in der Volksheilkunde
Dass Orchideen heute unter strengem Schutz stehen, ist den wenigsten bewusst, die sie in freier Natur bewundern. Dabei wurden einige Arten früher durchaus genutzt – insbesondere in der Volksmedizin. So enthalten die Wurzelknollen des Breitblättrigen Knabenkrauts (Dactylorhiza majalis) und verwandter Arten schleimhaltige Substanzen, denen man eine lindernde Wirkung bei Husten oder Magenbeschwerden zuschrieb. In getrockneter und gemahlener Form wurden sie als Zutat für ein Heißgetränk namens Salep verwendet – ein Brauch, der ursprünglich aus dem Orient stammt und im 18. und 19. Jahrhundert auch in Europa bekannt war.
Heute ist jegliche Entnahme aus der Natur verboten, da diese Orchideen stark gefährdet sind. Es ist gut so – denn ihre Schönheit gehört in die Landschaft, nicht in die Tasse.

Wo genau wachsen die Orchideen?
Ich kann verstehen, dass du an dieser Stelle wissen möchtest, wo genau die Orchideen zu finden sind. Doch ich möchte die Stellen nicht verraten. Obwohl viele Arten vom Aussterben bedroht sind, werden sie nach wie vor ausgegraben oder beim fotografieren zertrampelt. Dabei bringt das Ausgraben für den heimischen Garten gar nichts. Denn das Gedeihen der jeweiligen Flora hängt von der Bodenbeschaffenheit, den Temperatur- sowie Lichtverhältnissen sowie dem Wasserhaushalt ab. Daher wachsen einige Orchideenarten im schattigen, kühlen Wald, andere auf Trockenrasen in der direkten Sonne und andere auf Feuchtwiesen.
Zudem haben Orchideen eine Besonderheit: Sie gehen eine lebenswichtige Symbiose mit Pilzen (Mykorrhiza) ein. Diese ist für Orchideen deshalb lebenswichtig, da diese viele winzige Samen produzieren, die jedoch kein Nährgewebe enthalten. Daher sind Orchideen zur Keimung auf einem Wurzelpilz angewiesen.
Ich möchte dich darum bitten, eine offizielle Orchideenführung zu buchen (in diesem Jahr fallen sie leider wegen Corona aus, aber im nächsten Jahr bestimmt). In Jena möchte ich dir Dr. Matthias Müller, Orchideenführer ans Herz legen. Im Naturschutzgebiet „Tote Täler“ bei Freyburg führt Geo-Naturpark Gästeführerin Gisela Röder durch das Orchideengebiet.
Beiden Naturschutzgebieten (teilweise ehemalige Truppenübungsplätze) ist gemein, dass sie sehr groß sind und man unterwegs, vor allem an warmen Tagen, ganz viel zu Trinken mitnehmen sollte. Unterwegs gibt es keine Möglichkeit, Lebensmittel zu kaufen. Die Wege sind nicht beschwerlich und auch für ungeübte Wanderer zu laufen, aber man muss viele Kilometer gehen. Gute Wanderschuhe, Sonnenschutz und viel Wasser sind daher Pflicht!

Wusstest du…
Fantasienamen und Bestäubungskunst
Orchideen faszinieren nicht nur durch ihre Formenvielfalt, sondern auch durch ihre poetischen deutschen Namen. Da gibt es das Knabenkraut, den Frauenschuh, die Spinnen- und Bienen-Ragwurz oder das Bleiche Waldvöglein.
Besonders die Ragwurzen sind kleine Meisterwerke der Täuschung: Ihre Blüte sieht nicht zufällig aus wie ein Insekt – sie imitiert gezielt das Aussehen, den Duft und teils sogar die Behaarung weiblicher Insekten, um männliche Bestäuber anzulocken. Dieser Trick, bekannt als mimikrybasierte Bestäubung, ist ein faszinierendes Beispiel für die raffinierte Strategie der Natur.

Zur Fotografie von Orchideen
Orchideenblüten zu fotografieren ist – ich sag es mal so salopp – an sich keine Kunst. Was die fotografische Arbeit erschwert, sind die Standorte. Man kann nicht einfach zu den Pflanzen gehen. Man würde dabei weitere Orchideenpflanzen oder andere Wildblumen und Pflanzen zertrampeln. Auch, wenn du dir nichts dabei denkst und nichts Böses im Schilde führst – jegliches Betreten einer Wiese richtet unermesslichen Schaden an. Und Schutzgebiete werden einzig und allein zum Schutz, zur Erhaltung der Natur eingerichtet. Es ist daher gar nicht so einfach, Standorte zu finden, an denen man die Blüten ungehindert fotografieren kann. Viele Arten wachsen im Schatten anderer Pflanzen, sodass das optische Freistellen nicht so einfach ist.
Noch schwieriger wird es, wenn die Witterungsverhältnisse, als Licht, Wind usw. nicht passen. Aus diesem Grund habe ich es auch noch nicht geschafft, alle Orchideenarten, die in meiner Region wachsen, zu portraitieren. Zugern würde ich eine Bienen-Ragwurz sehen. Die Bedingungen und Standorte wechseln von Jahr zu Jahr. In diesem Jahr wird die Trockenheit, die nun schon ins dritte Jahr geht, den Orchideen sehr zu schaffen machen.

Zudem sind Orchideen nicht immer in ihrer Blüte perfekt. Gerade bei den Knabenkräutern muss man suchen, bis man eine Pflanze in voller Blüte findet. Oft sind schon Teile verblüht. Einige Orchideenarten, wie die Vogel-Nestwurz sind nicht besonders fotogen. Andere wiederum so unauffällig, das man kaum vermuten würde, dass diese unscheinbare Pflanze eine Orchidee sein sollte.
Tipp: An dieser Stelle möchte ich auf Marco Klüber in der Rhön verweisen, der ein Buch zum gleichnamigen Thema veröffentlicht hat und auf seiner Webseite alle einheimischen Orchideen mit wunderschönen Orchideenfotos erklärt.
Da ich keine Botanikerin bin, war es mir auch nicht wichtig, die Orchideen in ihrer Gesamtheit darzustellen. Mir persönlich geht es nicht darum, dass man die Orchideen-Pflanzen anhand ihrer Blätter und Blüten in ihrer Ausprägung bestimmen kann (Hier findest du alle Orchideenarten in Deutschland im Überblick). Vielmehr war es mir ein Anliegen, die Orchideen in ihrer Schönheit, in ihrer einzigartigen Ästhetik darzustellen.
Fotografiert habe ich die Pflanzen mit einem 100mm Makroobjektiv 2.8 von Tokina*. Dabei liebe ich es, mit der geöffneten Blende und einem Wechselspiel zwischen Schärfe und Unschärfe zu experimentieren. Fotografieren tue ich immer ohne Blitz, Stativ und ohne optische Aufheller. Nur in der Bildbearbeitung habe ich Bereiche des Bildes aufgehellt oder abgedunkelt. Dabei stelle ich die Orchideen nicht farbgetreu dar, da ich die Farbstimmung eher meinem Bauchgefühl anpasse und weniger an die Botanische Exaktheit.

Wusstest du…
Farbenpracht ohne Farbstoff
Wer zum ersten Mal ein blühendes Knabenkraut im Morgenlicht sieht, denkt vielleicht, dass sich aus diesen kräftigen Violetttönen ein wunderschöner Naturfarbstoff gewinnen ließe. Doch anders als etwa Waid oder Färberkamille wurden unsere heimischen Orchideen nie als Färberpflanzen genutzt. Ihre Farben sind zwar auffällig, aber in ihrer chemischen Zusammensetzung nicht zur Textilfärbung geeignet – und vor allem wären sie viel zu selten, um als Rohstoff zu dienen.
Auch das macht deutlich: Orchideen sind keine Nutzpflanzen im herkömmlichen Sinn – sie sind Geschenke der Natur, zum Schauen, Staunen und zum behutsamen Fotografieren.

Wenn ich auf den Pfaden der Orchideen unterwegs bin, dann habe ich wenig Technik dabei. Ich mag es so puristisch wie möglich, zumal meine Fotoausrüstung in ihrer Gesamtheit sehr schwer ist. Die Naturfotografie ist nur ein Teil, viel wichtiger ist mir das Genießen der Natur. Das Abschalten. Ich setze mich unwahrscheinlich gerne einfach hin und schaue in die Landschaft. Genieße die Naturgeräusche, halte Ausschau nach Sing- und Greifvögeln, Wildtiere, Schmetterlinge und anderen Insekten. Es geht mir nicht darum, das Naturschutzgebiet in einem schnellen Tempo zu durchqueren, immer auf der Suche nach dem „Besten Schuss“.
Ich bin immer verwundert, wenn andere Besucher an mir vorbei rennen und sich vielmals dabei lautstark unterhalten. Wie will man dabei die Schönheit der Natur aufnehmen? Gerade weil manche Orchideen-Arten so klein und unscheinbar sind, laufen viele an ihnen vorbei. Die Spinnen-Ragwurz ist so klein, auch ich habe sie auf den Wiesen erst auf den dritten oder vierten Blick wahrgenommen. Das Bleiche Waldvöglein wächst im schattigen Wald, an Stellen, wo man keine Orchideen vermuten würde. Daher ist so wichtig auf den Wegen zu bleiben, denn aus Unwissenheit und Unachtsamkeit würde man schnell diese kleinen Orchideen niedertrampeln.
Daher nimm dir auf deinen ersten Orchideen-Wanderungen unbedingt einen kundigen Orchideenführer mit. Die Wanderungen sind lehrreich und kurzweilig und es bleibt – wenn man sich vorher mit den Orchideenführern abspricht – auch genügend Zeit Fotos zu machen. Viele Freude bei deiner nächsten Fotowanderung und wenn du Fragen hast, dann schreib mir.


















Affiliate-Links: Alle mit * gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Wenn Du auf einen dieser Links klickst und etwas auf Amazon kaufst, bekomme ich eine kleine Provision. Diese hilft mir, die Seite weiter zu betreiben & auszubauen. Für Dich fallen dadurch keinerlei Kosten an – die Preise sind die gleichen wie wenn du regulär über Amazon bestellst. Die angezeigten Preise der Amazon-Produkte auf dieser Seite können sich von den tatsächlichen Preisen bei Amazon geringfügig unterscheiden (abhängig vom Aktualisierungszeitpunkt). Dafür bitte ich um Verständnis.

Unterstütze meine Arbeit – damit sie frei bleiben kann
Auch in diesem Jahr arbeite ich mit Herz und Verstand daran, Inhalte zu schaffen, die berühren, inspirieren oder zum Nachdenken anregen. Doch hinter Texten, Bildern und Projekten stehen nicht nur Ideen, sondern auch ganz praktische Dinge wie Serverkosten, Technik, Pflege der Webseite – und Zeit, die ich investiere, um Qualität möglich zu machen. Wenn dir meine Arbeit etwas bedeutet, freue ich mich über deine Unterstützung – ganz unkompliziert per Spendenbutton. Denn ich möchte meine Inhalte weiterhin für alle zugänglich halten.
Ohne Paywall. Ohne Werbung. Einfach ehrlich.
Danke von Herzen. Jana